Eigentlich sind die Genossenschaften immer sehr stolz auf ihr Kollektiv, das Modell ist jetzt sogar zum Weltkulturerbe erhoben worden. In Untertürkheim müssen die Genossen aber auch einen einzelnen hervorheben: Kellermeister Jürgen Off wurde als Roter Riese ausgezeichnet. Ein Widerspruch? Nein, sagt Off im Gespräch.

Stuttgart - Eigentlich sind die Genossenschaften immer sehr stolz auf ihr Kollektiv, das Modell ist jetzt sogar zum Weltkulturerbe erhoben worden. Bei der Weinmanufaktur in Untertürkheim müssen die Genossen aber auch einen einzelnen hervorheben: Kellermeister Jürgen Off wurde als Roter Riese ausgezeichnet. Ein Widerspruch? Nein, sagt er im Gespräch.
Herr Off, wie fühlt es sich denn an, wenn man selbst zum Weltkulturerbe erklärt wird?
Na, das war ja nicht ich, sondern die grundsätzliche Betriebsform der Genossenschaft auf allen Gebieten. Für diese Betriebsform sehe ich das allerdings schon als schöne Würdigung.
Die Weingärtnergenossenschaften natürlich eingeschlossen?
Die Betriebsform an sich sagt ja zunächst nichts darüber, ob jemand seine Arbeit gut macht oder schlecht. Aber dass momentan in vielen Bereichen wie dem Energiesektor neue Genossenschaften entstehen, zeigt, dass das Modell etwas kann. Die Form hat schon ihre Vorteile. Die Leute sind nicht angestellt oder nehmen eine Dienstleistung an, sondern sind ein Teil des Ganzen.
Beim Thema Wein galt das Modell der Genossen zeitweise ein bisschen angestaubt? Der Namenswechsel zur Weinmanufaktur war dem geschuldet?
Sicher. Aber letztlich ist es in einer Genossenschaft doch wie in einem Privatbetrieb: Man muss die Mitarbeiter mitnehmen, wenn man erfolgreich sein will. Wir sind ja ein recht kleiner Betrieb, der Vorteil dabei ist, wir haben eine überschaubare Führungscrew, die ganz klar ein Ziel hat: Immer besser zu werden. Da gibt’s dann natürlich unterschiedliche Meinungen, wie man zu diesem Ziel kommt, aber das muss ja nicht schlecht sein.
Genossenschaften seien wie ein Tanker unbeweglich, lautet einer der Vorwürfe.
Natürlich haben wir häufiger mal unterschiedliche Meinungen, aber das ist ja nicht schlecht. Diskutieren ist kein Nachteil! Ich glaube, wir sind dennoch schlagkräftig. Nehmen wir als Beispiel unseren Orange Wine. Das habe ich persönlich entschieden und einfach gemacht. So etwas geht bei uns völlig problemlos.
Was sind die weiteren Vorteile?
Wir haben eben sehr viele fleißige Hände. Wie gesagt: Wenn man die Mitglieder mitnimmt, dann gehen sie auch mit Überzeugung an die Arbeit. Wir haben auch entsprechende Flächen, können so einfach mal etwas ausprobieren. Aber so einen großen Unterschied zu Privatweingütern sehe ich gar nicht.
Wie gehen Sie nun mit einer Ehrung wie beim Deutschen Rotweinpreis um? Da wurde Jürgen Off zum Roten Riesen erklärt! Und nicht das Kollektiv!
Ich habe immer betont, dass das zwar eine persönliche Auszeichnung ist, aber eine ganze Mannschaft dahinter steht. Natürlich schmeichelt so eine Auszeichnung, das ist für die Gesamtleistung, und so etwas erhält man nur einmal im Leben . . .
. . . und zudem waren Sie der erste Kellermeister einer Genossenschaft, der diesen Preis erhalten hat?
Ja. Aber das zeigt doch auch wieder: In einem Betrieb wie dem unseren kann sich jeder auf seine Qualitäten konzentrieren. Ich zum Beispiel fühle mich an meinem Platz wohl, habe dort wunderbare Mitarbeiter, der geborene Kaufmann wäre aus mir aber sicher nicht geworden. Bei uns kann man also jeden mit seinen Stärken einsetzen, das ist ein Vorteil.
Bei all diesen positiven Aspekten: Der Weg muss natürlich weitergehen. Wohin?
Stillstand darf sich niemand erlauben, das ist klar. Wir haben ja schon öfter gezeigt, dass wir bereit sind, neue Sachen auszuprobieren.
Mit den Großen Sternen zum Beispiel?
Ja klar, mit unserem besonderen Sekt oder unserem Riesling haben wir was Besonderes probiert. Das kommt bei den Kunden an. Letztendlich machen solche Experimente unseren Beruf doch interessant.
Und was kommt als nächstes?
Als neue Sorten bauen wir einen Syrah sortenrein aus. Und im Holzfass liegt der erste Jahrgang eines sortenreinen Viogniers.
Viognier? Fängt der Kunde etwas mit dieser Rebsorte an?
Ich finde den Wein sehr gelungen. Aber wir müssen natürlich aufpassen, das ist ein Spagat. Auf der einen Seite müssen wir unseren alten Kunden immer mal wieder etwas Neues bieten. Auf der anderen Seite dürfen wir die traditionellen Sorten nicht vernachlässigen. Nach außen stehen für unser Anbaugebiet weder Viognier noch Syrah. Wenn ich an die Mosel gehe, suche ich Riesling, wenn ich nach Württemberg gehe, suche ich Lemberger oder Trollinger. Unsere ursprünglichen Sorten dürfen wir auf keinen Fall vernachlässigen.
Tun Sie ja auch nicht, was der Rotweinpreis für den Lemberger beweist?
Genau. Wir waren in den vergangenen Jahren immer mit zehn Rotweinen in der Endrunde, ich denke, das passt schon. Dieses Jahre haben wir zum Beispiel noch den besten Spätburgunder aus Württemberg in der Entscheidung gehabt.
Lautet das Ziel: Noch mehr Rotweinpreise?
Klar, ist doch logisch. Nur kann man so etwas nicht planen. Unter den letzten zehn Weinen sind definitiv keine schlechten, da gehört auch ein Quäntchen Glück dazu.
Beim Rotweinpreis läuft’s, bei den Weinführern schneiden die Genossenschaften dafür nicht ganz so gut ab. Wieso?
Weil Wein subjektiv ist. 1 + 1 = 2. Aber Wein ist etwas völlig anderes. Vergleich ist okay, am Ende ist es mir aber wichtiger, dass der Kunde, der hier reinkommt, zu seinem Geschmack steht. Manchmal braucht es keinen Wein zum drüber philosophieren, sondern etwas Einfaches. Und das muss dann handwerklich auch gut gemacht sein. Aber wir stellen uns den Wettbewerben.
Sie stellen sich sogar intern. Bei einer Manufakturratssitzung stand ihr Sekt in der Blindprobe gegen einen Champagner.
Ist doch selbstverständlich. Unsere Kundschaft probiert überall auf der Welt Wein. Also machen wir das auch. Ich selbst probiere natürlich auch, was hier in der Region sonst so gemacht wird, schließlich wollen wir keine Weine anderer Länder kopieren. Wir müssen unsere Richtung vertreten, unseren Stil. Und das sollte auch so bleiben.
Was soll ich Weihnachten zur Gans trinken?
Natürlich den Lemberger, der den Rotweinpreis gewonnen hat.

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