Seit fünf Wochen ist die Rems bei Weinstadt nur noch ein Rinnsal, weil der Betreiber des Birkel-Wehrs das Wasser abgelassen hat – mit verheerenden Folgen für alles Leben im Fluss, sagt Norman Böbel vom örtlichen Hege- und Fischereiverein

Weinstadt - Normalerweise hat die Rems hier einen Wasserstand von rund 3,50 Meter, jetzt ist es nur noch ein halber Meter“, sagt Norman Böbel, der Gewässerwart des Hege- und Fischereivereins Weinstadt, und blickt vom Ufer oberhalb des Birkel-Wehrs bei Großheppach auf das verbliebene Rinnsal. Der Verein hat den Flussabschnitt, der zwischen Grunbach und Beinstein auf Weinstädter Gemarkung verläuft, von der Stadt seit 1974 gepachtet.

 

Vor fünf Wochen hat der Betreiber des Wasserwerks am Birkel-Wehr seine Fallen geöffnet und das aufgestaute Flusswasser abgelassen. „Das macht er jedes Jahr mindestens einmal für Wartungs- und Reparaturarbeiten. Ich kenne das sonst von keinem anderen Wehrbetreiber an der Rems“, sagt Böbel. Üblicherweise dauere das zwar nur eine Woche, die Maßnahme sei aber für alles Leben im Wasser so oder so ein Desaster.

„Die Kleinlebewesen, die zwischen den Steinen leben und den Fischen als Nahrung dienen, sterben schon nach ein paar Stunden“, sagt Böbel. Die Muscheln, die an den Rändern des Flussbetts siedelten, könnten zwar auch ein paar Tage ohne Wasser überleben, doch pickten Vögel sie gerne auf. Zudem werde das Ablassen des Wassers Jungfischen zum Verhängnis, die zwischen den Steinen am Rand Schutz suchten und letztlich sprichwörtlich auf dem Trockenen lägen, erläutert Böbel und zeigt Fotos von auf diese Weise verendeten Tieren, die er in den vergangenen Wochen gemacht hat. Lediglich größeren, erfahreneren Fischen gelinge es meist noch, rechtzeitig flussauf- oder -abwärts abzuwandern, während die kleineren im niedrigen Wasserbett ein Festmahl für Eisvögel und Graureiher böten.

Auch vom Aussterben bedrohte Arten sind betroffen

Bis der Bestand sich von solch einem Eingriff erhole, dauere es drei Jahre. Zwar helfe der Hege- und Fischereiverein durch den Besatz von Jungfischen nach: Rund 2000 Euro investiere man dafür jährlich. Doch bringe das zum einen nicht viel, wenn der Fischnachwuchs spätestens im Herbst vom Wehrbetreiber wieder aufs Trockene gelegt werde. Zum anderen funktioniere das nur mit Forellen und Karpfen. Andere Arten, wie der vom Aussterben bedrohte Bitterling und die in ihrem Bestand stark gefährdete Mühlkoppe, könne man nicht nachbesetzen. Dank der guten Wasserqualität sei die Rems einer der wenigen Flüsse, in denen diese noch vorkommen – aber wie lange noch, wenn sie weiterhin derart dezimiert würden, fragt sich Böbel.

Seit sechs Jahren ist er Gewässerwart. In dieser Zeit sei die Zahl von Bitterling und Mühlkoppe bereits spürbar zurückgegangen, berichtet Böbel. „Auch wenn sie für uns Angler nicht interessant sind, sind sie doch für die Artenvielfalt und ein funktionierendes Ökosystem wichtig.“

Daher bemühe sich der Fischereiverein bereits seit Jahren, eine Lösung mit Josef Dennenmoser, dem Wehrbetreiber, zu finden. Dieser hat das Wasserrecht für den Remsabschnitt der ehemals dort ansässigen Nudelfabrik Birkel abgekauft und das Wehr, das er von der Stadt angemietet hat, mit Turbinen ausgestattet. 2001 nahm er die Anlage in Betrieb, mit der er nach eigenen Angaben jährlich 5500 Kilowatt Strom produziert. Seither schwelt der Konflikt zwischen ihm und dem Hege- und Fischereiverein. Bei der Stadt sieht man sich außerstande, eine Lösung herbeizuführen. „Wir können im Grunde nicht einwirken, nur moderieren, um so einen Kompromiss zu finden“, erklärt dazu der Stadtsprecher Jochen Beglau. Zudem ist auch das Landratsamt als Wasserbehörde an der Streitschlichtung beteiligt – bislang ohne Erfolg.

Der Wehrbetreiber widerruft den vereinbarten Kompromiss

Eine im Oktober vorigen Jahres gemeinsam mit dem Landratsamt getroffene Vereinbarung hat Dennenmoser inzwischen widerrufen. Nach dieser hatte ihm der Fischereiverein größere Sanierungsarbeiten am Wehr zugestanden, wie sie aktuell vorgenommen werden, wenn er im Gegenzug nur noch alle drei Jahre das Wasser ablässt. „Für die Anlage ist es tödlich, wenn ich sie nicht einmal im Jahr überprüfe“, sagt Dennenmoser. Schließlich sei dies auch ein Hochwasserschutztest. „Wenn ich das nicht mache, würde sie massiv an Sicherheit verlieren, was bei Hochwasser gefährlich wäre.“ Den Vorwurf des Vereins, dass er offenbar eine veraltete Technik einsetze, weil an anderen Wehren das Wasser nicht so oft für Wartungs- und Reparaturarbeiten abgelassen werden müsse, weist er von sich. „Das ist eine Anlage, die in das Wehr integriert ist, eine sehr innovative Lösung.“ Eine bauliche Veränderung sei nicht möglich, erklärt der Unternehmer, der in Weiler-Simmerberg im Allgäu (Kreis Lindau) noch ein weiteres Wasserwerk betreibt sowie Hauptbeteiligter an einem dritten in Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) ist. An diesen beiden ist ein solches Ablassen des Wassers, wie er selbst einräumt, indes nicht nötig.

Das letzte Wort ist in der Angelegenheit nicht gesprochen. Das Landratsamt hat einen erneuten Gesprächstermin mit allen Beteiligten anberaumt. Stellung zu dem Thema wollte die Kreisbehörde am Freitag allerdings nicht nehmen. Der zuständige Sachverständige sei nicht im Haus, teilte die Sprecherin Martina Nicklaus mit.