Ist der Schulz-Effekt schon verpufft? Haben sich Merkels Chancen für eine vierte Amtszeit verbessert? Vor Trugschlüssen aus der Saarland-Wahl ist zu warnen, meint der StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. So steht es im Grundgesetz. Es ist dort nicht von Demoskopen oder Saarländern die Rede. Wenn es nach den Demoskopen ginge, dann müsste die Staatsgewalt im Saarland jetzt in andere Hände wechseln. Alle Umfragen kurz vor der Wahl hatten auf eine neue Regierung schließen lassen. Es ist bekanntlich anders gekommen. Stimmungen lassen sich nicht eins zu eins in Stimmen übersetzen.

 

Das Wählervotum der Saarländer taugt aber nur bedingt als Blaupause für den Rest der Republik. So verwegen es war, wegen der Hysterie um den neuen SPD-Chef Martin Schulz sicher anzunehmen, dieser Hype werde die Saar-Genossen an die Macht hieven, so tumb wäre es jetzt, aus dem Triumph der „Mini-Merkel“ Annegret Kramp-Karrenbauer zu schließen, die Aussichten der Kanzlerin auf eine Wiederwahl seien wegen dieses Erfolgs gestiegen.

Die kleine Merkel und die große Merkel sind bei aller Ähnlichkeit sehr verschieden

Das Saarland hat in etwa so viele Wahlberechtigte wie die Landkreise Esslingen und Ludwigsburg zusammen. Niemand würde auf die Idee verfallen, aus dem dortigen Stimmverhalten einen national verbindlichen Trend ablesen zu wollen. Zudem sind die kleine Merkel an der Saar und die große Merkel an der Spree bei allen Ähnlichkeiten und politischen Schnittmengen doch sehr verschieden. AKK, wie die Wahlsiegerin wegen ihrer Initialen genannt wird, genießt ein hohes Vertrauen weit über die eigene Partei hinaus. Für Merkel gilt das nur noch eingeschränkt. Eine Neuauflage der großen Koalition auf Bundesebene wünschen sich nur wenige. Im Saarland war das jedoch die beliebteste aller Regierungsvarianten. Kramp-Karrenbauer konnte Nichtwähler für ihre Ziele mobilisieren. Merkel hingegen hat viele CDU-Wähler verprellt. Bis jetzt sieht es nicht danach aus, als könnte sie welche in nennenswerter Zahl zurückgewinnen. Allenfalls Schulz scheint Wahlabstinenzler für die SPD zu begeistern – sofern man Umfragen überhaupt noch glauben mag.

Drei Gründe, warum die Umfragen vorab falsch waren

Dass die Demoskopen so danebenlagen, ist ein eigenes Thema. Dafür gibt es drei Gründe: die Unberechenbarkeit von Nichtwählern, die Unentschlossenheit vieler Wahlberechtigter und die Intelligenz der Wähler. Wer Politik für doof, korrupt oder fremdgesteuert hält und deshalb keine Lust hat, einen Wahlzettel auszufüllen, der wird sich in der Regel auch Umfragen verweigern. Deshalb lässt sich nur schwer voraussagen, wo notorische Nichtwähler ihr Kreuz hinmalen, wenn sie sich irgendwann doch wieder animiert fühlen, von ihrem Königsrecht als Bürger Gebrauch zu machen. Von diesem Überraschungseffekt hat die Saar-CDU profitiert. Jeder siebte ihrer Wähler war vordem Nichtwähler.

Ein wachsender Anteil des Stimmvolks kann sich erst in der Wahlkabine entscheiden, wem er sein Vertrauen schenkt. Dessen Angaben bei Umfragen sind entsprechend unzuverlässig. Dazu kommt, dass die Wähler klüger sind, als schlichte Prozentwerte beim Politbarometer oder Deutschlandtrend das widerspiegeln. Sie wissen durchaus zu differenzieren zwischen verschiedenen Ebenen der Macht. So gibt es wohl Saarländer, die sich für Schulz erwärmen, bei der Landtagswahl aber lieber der CDU die Stimme schenken, um eine komplett rot gefärbte Regierung zu verhindern.

Die Dialektik der Demokratie wird Demoskopen bisweilen zum Verhängnis. Umfragen wie jene kurz vor der Saar-Wahl sind auf Dauer geschäftsschädigend. Das wissen wir nicht erst seit dem überraschenden Machtwechsel in den USA. Der Überraschungseffekt an diesem Sonntag hatte immerhin einen positiven Trend: Unterm Strich profitierte die politische Mitte. Dennoch wäre es verfrüht, schon die Renaissance der Volksparteien auszurufen. Das könnte ein Trugschluss sein. Als solcher erweist sich im Verlauf des Jahres vielleicht aber auch der Schulz-Effekt – oder die Vermutung, dass dieser schon verpufft sei.