Dank kostenloser Arznei können viele Ugander mit Aids alt werden. Viele Männer agieren weiterhin zu sorglos – und riskieren die Ansteckung.

Kasangi - Auf den Hexer in ihrem Dorf ist Immaculate Makyamzi gar nicht gut zu sprechen. „Nur die Dummen gehen noch zu ihm hin“, schimpft die 36-jährige Fischhändlerin aus Uganda und setzt am Ufer des Viktoriasees an einer kleinen Anlegestelle ihren Korb ab. Zu lange habe sie auf den Alten gehört, ihm geglaubt, dass sie verflucht worden seien. Der Hexer habe es genau gesehen, als er die Kräuter mischte, die Münzen und Schnecken auf einem Stück Baumrinde ausbreitete. Ein Verwandter sei schuld an der schlimmen Seuche sagte er. Die Krankheit habe ihrem Mann rote Flecken auf den Körper gemalt und all seine Kräfte geraubt. „Heute weiß ich es besser, sagt die Fischhändlerin, „es war kein Fluch, es war Aids.“

 

Das tödliche Virus hat die halbe Familie von Immaculate Makyamzi getötet – ihren Mann, zwei seiner insgesamt drei Ehefrauen, zwei Brüder, eine Schwester. Und sie selbst wäre auch beinahe daran gestorben. „Ich konnte keine Teetasse mehr halten, so schwach war ich, mir waren alle Haare ausgefallen“, erzählt die HIV-positive Uganderin, die in der Nähe der Kleinstadt Kasangi lebt. Doch mit den antiretroviralen Medikamenten, die das Virus im Blut unterdrücken, änderte sich alles. Seit 1997 nimmt die Mutter von zehn Kindern täglich zwei Tabletten. Alle zwei Monate holt sie sich in einer Krankenstation Nachschub – und muss dafür einen symbolischen Betrag von umgerechnet 30 Cent zahlen. Die Krankheit ist ihr nicht mehr anzusehen. Ihre Oberarme sind muskulös vom Tragen der schweren Fischkörbe und von der Feldarbeit, das dichte Haar bändigt sie mit einem Kopftuch. „Mein Mann hätte auf mich hören und die Arznei nehmen sollen“, sagt Immaculate Makyamazi, „dann wäre er heute noch am Leben.“

Die Krankheit hat ihren Schrecken verloren

Unter den Fischern in Uganda ist die Aidsrate erschreckend hoch. Sie liegt bei rund 22 Prozent, etwa jeder fünfte Fischer ist HIV-positiv. „Mein Mann hat die Krankheit in die Familie gebracht“, umschreibt Immaculate Makyamzi die Tatsache, dass viele der Männer fremdgehen. Das Geld, das sie verdienen, wird gleich wieder ausgegeben für Alkohol, für Sex mit Prostituierten – meist ohne Kondom. So kann sich das Virus weiter ausbreiten und hat in der Gesellschaft längst seinen Schrecken verloren. „Die Menschen sehen, dass man mit Aids alt werden kann“, tadelt Immaculate Makyamzi die Unbekümmertheit vieler ihrer Freunde und Bekannten, „denn kaum einer stirbt noch daran.“

Nur unter vier Augen, in der Abgeschiedenheit einer Holzhütte, spricht Makyamzi über das „Monster“, das ihr Leben zerstören wollte, das Präsident Yoweri Museveni als nationale Gefahr bezeichnet und jahrelang beispielhaft bekämpft hat. Uganda wurde durch Aufklärungskampagnen der Regierung und internationaler Organisationen zum Musterland im Umgang mit der weltweiten Epidemie. Die drastisch hohen Ansteckungsraten gingen zurück. Ein Erfolg, der nicht von Dauer war. In den 90er Jahren betrug die Aidsrate in dem ostafrikanischen Land dramatische 18 Prozent, sie konnte bis ins Jahr 2000 auf fünf Prozent gesenkt werden und liegt heute bei gut sieben Prozent. Es tragen in Uganda rund 1,4 Millionen Menschen das HI-Virus in sich.

Kondome schützen – aber das wissen zu wenige

Der Strand in der Bucht am Viktoriasee füllt sich schnell an diesem Morgen. Die Fischer sitzen auf ihren Holzbooten und säubern die Netze. Eine mühsame Handarbeit, geredet wird wenig, geraucht viel. Einer von ihnen ist John Namu-Matovu, kleine gelbe Augen, die Haut faltig. „Ich

Etwa jeder fünfte Fischer am Viktoriasee in Uganda ist HIV-positiv: John Namu-Matovu ist einer von ihnen. Foto: Keck
könnte drei Boote haben, wenn ich nicht all mein Geld für Alkohol ausgegeben hätte“, gibt der 32-Jährige zu und muss sich seit einigen Jahren bei Kollegen einen Kahn mieten. Dann geht es raus auf den See, ohne Motor, nur mit einem Ruder aus Holz und jeder Menge Mut. Schwimmen hat der Ugander nie richtig gelernt, zehn Minuten kann er sich über Wasser halten, länger nicht. Einmal mussten ihn seine Kollegen aus dem Wasser fischen. Da habe ein plötzlicher Sog das Boot umgestoßen und ihn in die Tiefe gezogen, erzählt der Fischer, der See habe nach ihm gegriffen.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten ist John Namu-Matovu positiv getestet worden. „Es tut mir bis heute leid, dass ich das Virus in meine Familie eingeschleppt habe“, sagt er und will beides beendet haben: das Trinken und das Fremdgehen. „Ich bin ruhiger geworden“, sagt der Familienvater, „jetzt hat es meine Frau besser.“

Die Einsicht, dass Kondome die Krankheit aufhalten können, ist noch längst nicht zu jedem durchgedrungen. „Am schwierigsten ist es, mit Fischern und Männern in Uniform zu arbeiten – die lassen sich nichts über Aids sagen“, weiß Uyte Muhumuza von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung, die sich für mehr sexuelle Aufklärung in Uganda engagiert und kostenlose Aidstests anbietet. „Die Männer sind extrem risikobereit und glauben, sie seien unverwundbar.“ Mit Infomaterial und Tipps zur Verhütung versucht Uyte Muhumuza wenigstens einen Teil der Familien zu erreichen. Aber immer wieder kommt auch der Helfer an seine Grenzen. „Wir haben nicht mal genug Kondome im Land, es gibt regelmäßig Engpässe. Und manchmal fehlt es einfach nur an Benzin, um die Pakete zu verteilen.“