Der Kampf gegen den Hunger droht sich zu verschärfen, denn die Getreideproduktion hinkt der Weltbevölkerung hinterher. Wie sollen im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen ernährt werden? Forscher erläutern, wie sie die Erträge von Mais und Weizen steigern wollen.

Gatersleben/Stuttgart - In diesem Jahr sind weltweit vermutlich 2,5 Milliarden Tonnen Getreide geerntet worden – ein neuer Rekord, sagt die Welternährungsorganisation FAO. Dennoch bekommen rund 800 Millionen Menschen nicht genügend Kalorien. Noch vor zehn Jahren waren es zwar nahezu eine Milliarde Menschen, sodass man von einem kleinen Erfolg sprechen kann. Aber der Kampf gegen den Hunger ist hart, denn die Weltbevölkerung nimmt zu. Bis zur Mitte des Jahrhunderts rechnen Demografen mit zwei Milliarden Menschen zusätzlich. Um sie zu ernähren, müsse die Getreideproduktion um 50 Prozent steigen.

 

Wie soll das gehen? Mehr Äcker werden das Problem nicht lösen. Weltweit könne man die landwirtschaftlich genutzte Fläche höchstens noch um zehn Prozent ausdehnen, sagt Andreas Graner, der Direktor des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung im kleinen Ort Gatersleben im Harz. Auch der Einsatz von Dünger, der nach Schätzungen der FAO in den Entwicklungsländern deutlich steigen dürfte, wird nicht ausreichen und ist aus Sicht des Umweltschutzes auch problematisch. Mehr Getreide bedeutet für Graner vor allem: ertragreichere Sorten. Daran arbeitet sein Institut und es ist bisher nicht schlecht gelaufen, doch Graner macht sich Sorgen.

Er zeigt Schaubilder, auf denen die Erträge von Weizen oder Mais steil nach oben weisen. Doch wenn man genau hinschaut, sieht man, dass sich die Kurven abflachen. In den 80er und 90er Jahren gab es Zuwächse von zwei bis drei Prozent im Jahr, inzwischen liegen sie – über alle Getreidearten hinweg berechnet – bei 1,5 Prozent. Das ist für Graner das Problem: „Die Ertragszuwächse sind bei vielen wichtigen Feldfrüchten hinter das Bevölkerungswachstum zurückgefallen.“

Welche Pflanzen eignen sich am besten für die Züchtung?

Aus dem Projekt HOSUT hätte zum Beispiel etwas werden können, erzählt Graner. Es handelt sich um einen gentechnisch veränderten Winterweizen, der größere Körner mit mehr Protein ausbildet. Doch vor sechs Jahren wurde ein Feldversuch zerstört. Seitdem arbeiten Graners Kollegen höchstens in Gewächshäusern mit diesen Pflanzen – „Forschung mit angezogener Handbremse“, nennt es der Institutschef.

Sein Kollege Thomas Altmann zeigt einen neuen Trend in der Forschung: In einem Gewächshaus stehen 400 schwarze Töpfe auf Förderbändern und werden hin- und hergefahren. An der einen Stelle werden sie gegossen, an der anderen messen Sensoren automatisiert den Zustand der Rapskeimlinge. Am Ende des Versuchs werden auch das Erbgut und die Proteine der Pflanzen analysiert. Auf diese Weise wollen Altmann und sein Team herausfinden, welche Pflanzen sich am besten zur Züchtung eignen.

Diese Frage beschäftigt auch Albrecht Melchinger an der Universität Hohenheim, ein Experte für Maispflanzen. Für etwa 100 Euro lässt er das Erbgut einer Pflanze auf rund 50 000 Genbausteine untersuchen und prüft dann, wie sich die Pflanze entwickelt. Wenn man dieses Verfahren einige hundert Mal wiederholt, erkennt ein Computer in dem genetischen Muster, welchen Ertrag die Pflanze erbringen wird.

Optimismus beim Mais, Zurückhaltung beim Weizen

Auch ein zweites Projekt in seinem Labor zielt darauf ab, die Züchtung neuer Sorten zu beschleunigen. Hierbei versucht Melchinger nicht, geeignete Pflanzen für die Kreuzung auszuwählen, sondern sie für die sogenannte Hybridisierung vorzubereiten. Bei diesem Verfahren werden zwei reinerbige Pflanzen gekreuzt, was höhere Erträge verspricht. Beim Menschen gibt es von jedem Gen zwei Varianten, die sich oft unterscheiden, weil eins vom Vater und eins von der Mutter stammt. So ähnlich ist es beim Mais; er gilt als reinerbig, wenn sich beide Gensätze gleichen. Um diesen Zustand zu erreichen, werden nicht-reinerbige Pflanzen zunächst angeregt, Samen mit einem halben Gensatz zu produzieren. Diese Samen werden dann dazu angeregt, ihren Gensatz zu verdoppeln.

Derzeit arbeitet Melchinger mit seinem Team daran, diese Methode für die afrikanische Landwirtschaft nutzbar zu machen. Sie soll dort auch funktionieren, wenn kein Labor mit moderner Ausstattung zur Verfügung steht. Damit sich der Gensatz verdoppelt, setzen die Forscher bisher das Gift Colchicin ein. Dieser Schritt soll zum Beispiel durch ein einfacheres und günstigeres Verfahren ersetzt werden. Die Stiftung von Bill Gates und seiner Frau Melinda fördert die Universität Hohenheim deshalb mit 500 000 Euro. Zuvor hatten die Eiselen-Stiftung aus Ulm und die Tiberius-Stiftung aus Stuttgart das Projekt unterstützt.

Melchinger ist durchaus optimistisch: „Beim Mais stehen die Chancen gut, dass wir den jährlichen Ertragsanstieg halten können oder sogar noch etwas drauflegen – bei reduziertem Einsatz von Dünger oder Bewässerung.“ Sein Kollege Friedrich Longin, ein Experte für Weizen, äußert sich verhaltener: Mit dem Klimawandel kommen häufiger Hitze und Trockenheit auf die Pflanzen zu. Hybridisierter Weizen, der von zwei reinerbigen Pflanzen abstammt, kommt damit besser zurecht. Erste Sorten dieser Art seien auf dem Markt, sagt Longin, und würden sich gut schlagen. „Aber das reicht noch nicht, da ihr Saatgut teuer ist.“ Er untersucht daher mit Partnern, welche Pflanzen sich für die Hybridzüchtung besonders eignen. Das Projekt ist nun verlängert worden, die Uni Hohenheim hat 360 000 Euro dafür erhalten.