Der Landrat und der Krankenhausdirektor entschuldigen sich im Kreistag für die ein oder andere „Panne im Informationsfluss“, doch der Backnanger OB Frank Nopper wird polemisch.

Welzheim - Die Aussprache über die Situation der Rems-Murr-Kliniken ist am Ende doch noch eine heftige und zum Teil persönlich geführte Debatte geworden. Dabei hatte es zu Anfang der Diskussion in der Welzheimer Justinus-Kerner-Halle ganz danach ausgesehen, als seien die Dissonanzen bereits vorab ausgeräumt worden Der Landrat Johannes Fuchs und der Krankenhausdirektor Jürgen Winter räumten nach den Negativschlagzeilen über die medizinische Versorgung im bestehenden Waiblinger Hospital und den Kostensteigerungen samt Zeitverzug im Winnender Neubau „Pannen im Informationsfluss“ ein und entschuldigten sich für etwaige Versäumnisse.

 

Und Ute Ulfert (CDU), Christa Elser (SPD), Wolfgang Weigold (FDP) und Peter Höschele (Grüne) sprachen dem Klinikpersonal im Namen ihrer Fraktionen die höchste Anerkennung für ihre Arbeit aus und zollten dem Landrat und dem Krankenhauschef Respekt für ihre Eingeständnisse. Die Probleme im laufenden Betrieb und beim Neubau seien nicht selbst verschuldet, sondern in erster Linie den schwierigen Rahmenbedingungen geschuldet, so der Tenor.

Dann aber verteilte der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky im Namen der Freien Wähler die ersten verbalen Peitschenhiebe. Seine Fraktion sei nicht bereit, alle präsentierten Zahlen einfach abzunicken und sich rückfragefrei damit abspeisen zu lassen, dass die Kosten für den Neubau in Winnenden „eben steigen“. Die beim Neubaubeschluss vor fast genau fünf Jahren versprochene Budgetobergrenze habe sich als dünnes Eis erwiesen, „auf das wir gelockt wurden und das noch wegschmolz, bevor wir es betraten“. Die Schwierigkeiten mit dem Boden im neuen Klinikum ließen den Gedanken aufkommen, dass „das richtige Klinikum an der falschen Stelle“ gebaut worden sei. Man erwarte nicht nur, dass alles getan werde, um die Baukosten in den Griff zu bekommen, sondern auch, dass die Kreisräte umgehend über Schwierigkeiten informiert würden, betonte Hesky.

Persönlich wurde dann der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU): Der Landrat und der Krankenhausdirektor hätten sich angesichts von 24 Millionen Euro Zusatzkosten und einem Jahr Zeitverzug beim Neubau alles andere als mit Ruhm bekleckert. Der Landrat verfolge hier wie auch bei anderen wichtigen Themen eine Strategie des Verschweigens. Das zweite G bei der aus einem Eigenbetrieb umgewandelten Rems-Murr-Kliniken-gGmbH stehe nicht für gemeinnützig, sondern für Geheimzirkel. Das Ziel sei eine Entmachtung des Kreistags „und die Bündelung der Macht in des Landrats Hand“.

Diese Polemik forderte den FDP-Sprecher Wolfgang Weigold das zweite Mal an das Rednerpult – nun äußerst aufgebracht. Während alle anderen den Blick nach vorn gerichtet und versuchten hätten, das Beste aus der Situation zu machen, präsentiere sich Nopper noch heute als erbitterter Gegner des Neubaus: „Ihnen wäre es doch am liebsten, das Krankenhaus würde wieder abgebrochen“, sagte Weigold. Als Aufsichtsratsmitglied habe er, Nopper, detaillierte Einblicke in die Situation der Kliniken gehabt und genau gewusst, wie die Kostensteigerungen zustande gekommen seien – unter anderem offenbar, wie es Weigold entfleuchte, weil Baufirmen den Landkreis mit „Beschleunigungsgeldforderungen erpresst“ hätten. Der Landrat hingegen reagierte vergleichsweise gelassen auf die Noppersche Polemik und verwies darauf, dass man sich im Kreistag einst gemeinsam auf eine vierteljährliche Berichterstattung aus dem Aufsichtsrat der Kliniken verständigt habe. „Das sind die Spielregeln, die wir mit Ihnen vereinbart haben“, sagte Fuchs.

Diese Spielregeln sollen nach einem entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion auf den Prüfstand gestellt werden. Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe soll möglicherweise neue Richtlinien erarbeiten.

Probleme der Rems-Murr-Kliniken

Patientenklagen:
Für negative Schlagzeilen hat in der jüngeren Vergangenheit, wie berichtet, die medizinische Versorgung in der Klinik in Waiblingen gesorgt. Eine 85-jährige Frau starb, möglicherweise, weil eine Verstopfung nicht richtig behandelt worden war. Nach Presseberichten meldeten ehemalige Patienten weitere mutmaßliche Verfehlungen. Unter anderem wurde unlängst in der Notfallambulanz der Klinik ein 43-jähriger Mann mit schweren Nachblutungen nach einer Mandeloperation abgewiesen. Im Fall der gestorbenen Frau hat das Klinikum Selbstanzeige gestellt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Man wolle eine Vorverurteilung vermeiden, betonen Klinik und Landrat. Mittlerweile hat man sich indes von dem Chefarzt der Station getrennt – was angeblich aber nicht in einem direkten Zusammenhang stehe.

Neubauschaden
: In der Bodenplatte des Klinikneubaus in Winnenden, in der sogenannten Weißen Wanne, sind wiederholt Risse entstanden. Das Beheben des Schadens und die Beseitigung der eingedrungenen Feuchtigkeit wird laut Klinikdirektor Jürgen Winter mindestens 3,6 Millionen Euro kosten. Darüber hinaus rechnet er mit mindestens 14 Millionen Euro an Folgekosten durch die Bauzeitverzögerung.

Budgetüberschreitung:
Ursprünglich war das Baubudget für den Bau auf 266,2 Millionen Euro gedeckelt worden. Laut aktueller Planung liegt man gut 17 Millionen darüber. Bis zur Fertigstellung – der Umzug ist auf den 16. und 17. November terminiert – kalkuliert der Klinikchef mit einer Kostenüberschreitung um bis zu zehn Prozent.