Ein behindertes Kind zu erwarten, löst bei vielen werdenden Eltern Ängste aus. Ein Interviewband, der jetzt im Christopherusheim in Welzheim vorgestellt wurde, soll zeigen, welche Wege das Leben mit einem solchen Kind nehmen kann.

Welzheim - Die erste Reaktion werdender Eltern, die von der Behinderung ihres ungeborenen Kindes erfahren, sei immer ähnlich, sagt Barbara Oehl-Jaschkowitz. „Viele erleben diese Nachricht wie im Schock“, sagt die Humangenetikerin. Oft dauere es Monate, bis sich die Eltern mit diesem Umstand abfinden könnten – weil sie nicht wüssten, wie der Weg ihrer Kinder aussehen könne.

 

An diesem Punkt setzt ein Buch an, das die Ärztin aus Homburg an der Saar am Samstagabend im Christopherusheim in der Welzheimer Laufenmühle vorgestellt hat. Die Eltern von neun Behinderten haben der Ärztin in Interviews darüber Auskunft gegeben, wie sich das Leben mit ihren Kindern entwickelt hat. Sie wolle Wege aufzeigen, die es in solchen Fällen gebe, sagt die Autorin. Das Buch sei als Hilfestellung für Eltern gedacht, die sich in einer solchen Situation befinden.

Die Hilfe soll an einem Zeitpunkt mit weitreichenden Entscheidungen ansetzen. „90 Prozent der Eltern, die von der Trisomie ihres Kindes erfahren, lassen dieses abtreiben“, sagt Dieter Einhäuser, der Leiter der Christopherus Lebensgemeinschaft. Ganz wichtig sei, dass Eltern in einer solchen Situation aufgefangen würden, sagt Barbara Oehl-Jaschkowitz – vielen Ärzten in den Kliniken sei es aber nicht möglich, darauf adäquat einzugehen. Dies stelle Eltern vor eine als hoffnungslos empfundene Situation, schildert die Autorin. Aber sie kenne viele Eltern, die in den Folgejahren „trotz der Einschränkungen ihrer Kinder große Zuversicht und Zufriedenheit entwickeln konnten“. Bei allen ihren Gesprächspartnern in dem Buch komme trotz aller Ängste eine positive Lebenseinstellung zum Vorschein.

Der Werdegang des von Trisomie betroffenen Henri ist ein Beispiel. Jede Wehe habe sie als Bedrohung für das Kind erlebt, und sich schließlich für einen Kaiserschnitt entschieden, berichtet die Mutter im Interview. Ihr Sohn habe bei der Geburt nur zwei Kilo gewogen, was ihr „unglaublich klein“ vorgekommen sei. Jedoch sei von dem Kind etwas besonders Friedliches ausgegangen. Henrys Behinderung sei durch eine Fruchtwasseruntersuchung bereits vor der Geburt bekannt gewesen. In die Entscheidungssituation, ob sie das Kind behalten wolle, habe sie sich regelrecht hineinmanövriert gefühlt, schildert die Mutter. „Aber die Entscheidung war doch gefällt“ betont sie. „Er war ja bereits da.“

Die Interviews in dem Buch verschweigen nicht, dass beim Leben mit einem behinderten Kind viele Hürden genommen werden müssen, was anders sei „als die Hochglanzbilder der Zeitschriften, die in den Frauenarztpraxen ausliegen“, wie eine Mutter in dem Buch sagt. Viele Kindergärten seien nicht darauf vorbereitet, viele Beziehungen der Eltern seien belastet, sodass die Partner sich trennten. Aber einen allgemeingültigen Fall, wie das Leben dann verlaufe, gebe es nicht, sagt die Autorin. „Es kommt sehr darauf an, auf welchen Boden eine solche Konstellation fällt.“

Bebildert ist das Buch mit Fotos von Christiane Fischer, die erfüllte Augenblicke im Leben von behinderten Menschen einfühlsam darstellt. Dank der Unterstützung einer Stiftung sollen 150 Exemplare des Buchs Beratungsstellen zur Verfügung gestellt werden – damit es den Eltern zur Verfügung gestellt werden kann, die mit dem Thema konfrontiert werden.