Daimler könnte straffrei davonkommen, wenn der Konzern in einem Kartellverfahren gegen andere deutsche Autobauer auftritt. Zuvor hatte Daimler die heimlichen Absprachen als „Spekulationen“ bezeichnet.

Stuttgart - Daimler hat erstmals bestätigt, dass das Unternehmen die Rolle des Kronzeugen in einem drohenden EU-Kartellverfahren gegen deutsche Autobauer anstrebt. Damit könnten die Stuttgarter von einem Bußgeld der Kommission verschont bleiben. „Daimler kann nun öffentlich machen, dass wir einen Kronzeugenantrag gestellt haben“, teilte Finanzvorstand Bodo Uebber in einer Telefonkonferenz bei der Vorlage der Geschäftszahlen für das dritte Quartal überraschend mit. Es sei aber gegenwärtig offen, ob die Europäische Union ein formelles Verfahren einleiten werde, ergänzte Uebber.

 

Zuvor hatte der Stuttgarter Konzern Medienberichte über eine Verwicklung in angebliche heimliche Absprachen monatelang als „Spekulationen“ bezeichnet. Das Magazin „Spiegel“ berichtete im Juli, dass VW, Audi, Porsche, BMW und Mercedes-Benz sich seit den 1990er Jahren in zahlreichen geheimen Treffen über Fahrzeugtechnik, Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgesprochen haben sollen. Nach Angaben des Magazins hat sich auch VW als Kronzeuge angeboten. Der Wolfsburger Konzern schweigt bisher dazu.

Durchsuchung bei BMW

Das Bundeskartellamt bestätigte bereits im Sommer, dass den deutschen Wettbewerbshütern ebenso wie der EU-Kommission Informationen über „mögliche Absprachen im technischen Bereich“ vorliegen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager schrieb in einem Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, dass die Informationen umfangreich seien und „komplexe Sach- und Rechtsfragen“ aufwerfen. Auch heute sei nicht absehbar, ob und wenn ja wann ein formelles Verfahren eröffnet werde, sagte eine Sprecherin der Wettbewerbskommissarin am Freitag. Die EU-Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern, ob neben Daimler auch VW den Kronzeugen spielen will.

BMW teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit, dass in dieser Woche Mitarbeiter der EU-Kommission im Haus waren, um die Kartellvorwürfe zu prüfen. BMW unterstütze die Kommission bei ihrer Arbeit, habe aber keinen Kronzeugenstatus beantragt, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Die EU-Sprecherin stellte klar, dass dieser überraschende Besuch am Montag nicht bedeute, dass BMW sich wettbewerbswidrig verhalten habe. Auch lasse sich daraus kein Hinweis auf das Ergebnis der Untersuchung der Kartellvorwürfe ableiten. Kronzeugen verpflichten sich, in Kartellverfahren mit den Behörden eng zu kooperieren. Im Gegenzug dafür gehen sie in der Regel straffrei aus. Ob ein Unternehmen von einem Bußgeld verschont bleibt, wird jedoch erst am Ende des Verfahrens entschieden. Zudem muss strenge Vertraulichkeit zugesichert werden.

Kartellstrafen können schmerzhaft sein

Deshalb hielt sich der Daimler-Finanzchef auch am Freitag trotz zahlreicher Nachfragen zu den Kartellvorwürfen sehr bedeckt. Uebber ließ nur noch wissen, dass kein Geld für mögliche Bußgelder zurückgelegt werde. „Auf der Grundlage einer Bewertung unserer Berater sieht Daimler derzeit keine Notwendigkeit zur Bildung von Rückstellungen“, sagte Uebber. Wie schmerzhaft Kartellstrafen sein können, haben die Stuttgarter erst im vorigen Jahr erfahren müssen. Die EU-Kommission verhängte wegen verbotener Preisabsprachen Bußgelder gegen so gut wie alle europäischen Lkw-Hersteller. Daimler musste knapp 1,1 Milliarden Euro zahlen und erhielt damit die höchste Strafe.