2015 sind 890000 Flüchtlinge ins Land gekommen. Das sind weniger, als bisher angenommen wurde. Bundesinnenminister de Maizière stellt aber klar, dass sich die Situation dennoch nicht wiederholen darf. In diesem Jahr kamen bisher 210000 Schutzsuchende.

Berlin - Die Zahl der Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland kamen, ist mit 890000 deutlich niedriger, als die Zahl von 1,1 Millionen Menschen, die bisher die Debatte prägte. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte Anfang des Jahres bekannt gegeben, dass die Millionengrenze womöglich durchstoßen worden sei. Er gab allerdings damals schon zu bedenken, dass durch Mehrfachregistrierungen und die anfangs chaotischen Zustände bei der Registrierung die tatsächliche Zahl niedriger sein dürfte. Die Bundesregierung kam gegen diese Zahl jenseits der Millionengrenze aber nicht an. De Maizière nannte bei der Vorstellung der bereinigten Zahl dafür einen einfachen Grund: „Weil keine genauere Zahl genannt werden konnte.“ Seitdem arbeiten die Behörden in den Ländern und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) fieberhaft daran, Licht ins Dunkel zu bringen.

 

Das Problem war, dass das System der Registrierung überhaupt nicht auf die Größenordnungen ausgelegt war, die es 2015 bewältigen musste. Die einzig verwertbare Größe war das, was das so genannte Easy-System zur Erstverteilung der Flüchtlinge auswarf. Mit diesem System wurden aber nur anonymisiert das Herkunftsland und der Zielort der Flüchtlinge erfasst, nicht aber deren persönliche Daten. Auch eine erkennungsdienstliche Erfassung erfolgte nicht. Weil zum Beispiel die Flüchtlinge an anderer Stelle oftmals ein zweites oder drittes Mal ins Easy-System aufgenommen wurden, kam es zu Mehrfachregistrierungen. Unberücksichtigt blieben auch jene Flüchtlinge, die Deutschland wieder verließen, etwa mit Ziel Skandinavien. Die Lücke zwischen der Easy-Zahl und der tatsächlichen Zahl nannte man Easy-Gap.

2016 bis jetzt 210000 Flüchtlinge

Seitdem wurde das Bamf personell massiv aufgestockt, ein Ankunftsmachweis eingeführt, ohne den Flüchtlinge keine Leistungen mehr erhalten, vor allem aber wurde das IT-System länderübergreifend kompatibel ausgestaltet und die Gesetzgebung entsprechend geändert. Das so genannte „Kerndatensystem“, auf das alle relevanten Behörden jetzt Zugriff haben, um Informationen abzugleichen, wurde bis Ende Mai in allen Aufnahmeeinrichtungen eingeführt. Die Länder haben ebenfalls nachgearbeitet. Die Informationen über jene Flüchtlinge, die noch keinen Asylantrag stellen konnten und deshalb noch nicht zentral erfasst waren, wurden ins länderübergreifende Kerndatensystem aufgenommen, um Mehrfachregistrierungen auf die Spur zu kommen. Diese Nachregistrierungen seien abgeschlossen, heißt es im Ministerium. Das Easy-Gap „ist so gut wie geschlossen“, sagte de Maizière. Die Zahl von 890000 sei deshalb für 2015 endlich eine verlässliche Größe. 50000 Schutzsuchende wurden zwar registriert, haben ihr Asylverfahren aber nicht weiter verfolgt, weshalb laut Ministerium davon ausgegangen wird, dass diese „in der ganz überwiegenden Mehrheit weitergereist sind oder die Rückreise in ihr Herkunftsland angetreten haben.“ Deshalb geht de Maizière davon aus, „dass wir mit 840000 auf Dauer arbeiten werden“. Es sei aber auch klar, „dass sich die Lage im letzten Herbst nicht wiederholen darf“. Man sei da auf einem guten Weg. Bis zum 21. September seien 210000 Flüchtlinge gezählt wurden.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, pflichtete dem bei. Die Entwicklung vor einem Jahr habe „gezeigt, dass die Realität uns Grenzen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen setzt, die wir nicht verschieben können“, sagte Lischka unserer Zeitung. Die aktuelle Situation sei aber „in keiner Weise mehr vergleichbar mit der Situation im vergangenen Jahr.“ Die Herausforderung bestehe jetzt darin, dass die Flüchtlinge, die hier bleiben können, „gut in die Gesellschaft integriert werden“. Auch CDU-Innenexperte Armin Schuster spricht gegenüber unserer Zeitung von einer Entlastung: „Das ist eine gute Zahl, weil sie deutlich unter einer Million liegt.“ Wenn man davon ausgehe, dass „500000 Menschen keine Bleibeperspektive haben, dann ist die Zahl derer, die bleibt, für uns integrationspolitisch verkraftbar.“ Was im vergangenen Jahr geschehen sei, müsse „dennoch historisch außergewöhnlich und damit einmalig bleiben“, so Schuster.