Ein neues Gutachten zeigt, dass ein Tunnel zur Verkehrsentlastung der Herrenberger Innenstadt nicht nur teuer wäre, sondern sogar die Stiftskirche gefährden könnte.

Herrenberg - Eigentlich hätte der Reinhold-Schick-Platz das Zeug dazu, zur Stadtmitte von Herrenberg zu werden. Er liegt zentral zwischen dem Bahnhof und der pittoresken Altstadt. Spaziergänger könnten hier vor einem Café sitzen, Fahrradfahrer zum nächsten Geschäft radeln. Stattdessen rollen täglich mehr als 40 000 Autos über den Platz. Wer als Fußgänger nicht an den zahlreichen Ampeln warten will, muss durch eine wenig ansehnliche Unterführung. Deshalb wurde jahrelang diskutiert, den Herrenberger Schlossberg zu untertunneln, um die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten. Doch jetzt ist klar: daraus wird nichts.

 

Ein Gutachten, das im Auftrag der Stadt erstellt worden ist, stellt der Tunnel-Variante ein verheerendes Zeugnis aus. Das beginnt schon bei den Finanzen: Ein 900 Meter langer Tunnel würde 119 Millionen Euro kosten – Herrenberg hat jährlich nur etwa zehn Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung.

Der Bau wäre außerdem sehr risikoreich. Wenn bei der Tunnelbohrung Wasser in die Anhydritschicht in der Tiefe des Schlossberges gelangen würde, könnte diese aufquellen. Dann würde sich der Boden heben – ähnlich, wie es in den vergangenen Jahren bei Geothermie-Bohrungen in Böblingen und Leonberg passiert ist. Durch die Bauarbeiten könnte außerdem der Hang des Schlossberges ins Rutschen geraten – das würde sogar die Stabilität des Herrenberger Wahrzeichens, der Stiftskirche, erheblich gefährden. Der Oberbürgermeister Thomas Sprißler lässt deshalb keinen Zweifel, dass das Gutachten das endgültige Aus für den Schlossbergtunnel bedeutet. Noch Ende der 90er Jahre hatte der Gemeinderat für den Schlossbergtunnel plädiert – inzwischen sind aber alle Fraktionen von dem Plan abgerückt.

Hang des Schlossberges könnte ins Rutschen geraten

Die Gutachter werben stattdessen dafür, den Nord-Süd-Verkehr westlich der Innenstadt vorbeizuleiten: entweder über eine Bahntangente oder über die Schießmauertrasse und dann durch eine Unterführung unter den Bahngleisen (siehe Grafik). Beide Varianten würden jeweils etwa 23 Millionen Euro kosten – etwa ein Fünftel des Schlossbergtunnels. Der Verkehr über den Reinhold-Schick-Platz könnte dadurch fast halbiert werden. Zur Diskussion steht auch ein 1,3 Kilometer langer Tunnel unter der Horber Straße: Dieser würde zwar die Anwohner entlasten, wäre mit 116 Millionen Euro aber ebenfalls sehr teuer.

Entscheidung soll erst Anfang 2015 fallen

Um den Durchgangsverkehr komplett aus der Innenstadt herauszuhalten, plädieren manche Herrenberger Bürger für eine etwa 2,3 Kilometer lange Südwestumfahrung. Die Kosten von knapp 56 Millionen Euro könnte die Stadt aber ebenfalls nur mit der Unterstützung vom Land oder vom Bund stemmen.

Der Gemeinderat wird wohl erst Anfang 2015 über die Varianten entscheiden. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Freien Wähler und die Grünen eher zu einer innerstädtischen Lösung tendieren – also zu einer Bahnunterführung, ergänzt durch eine Bahntangente oder die Schießmauertrasse. Die CDU und die Sozialdemokraten befürchten hingegen, dass eine solche Lösung den Verkehr nur um wenige hundert Meter verlagern würde und neigen eher zu einer Südwestumfahrung. Nur dann könnte der Reinhold-Schick-Platz komplett verkehrsberuhigt werden, argumentiert Sarah Holczer, die stellvertretende SPD-Fraktionschefin. Endgültig festlegen möchte sich aber noch keine Fraktion – vorher sollen alle Varianten geprüft werden.