Bei der letzten Werbetour der Fifa-Präsidentschaftskandidaten gibt sich Gianni Infantino selbstbewusst. Sein größter Kontrahent geht mit überraschenden Versprechen auf Stimmenfang.

Zürich - Am Tag vor der Fifa-Präsidentschaftswahl haben die fünf Kandidaten um die Nachfolge von Joseph Blatter mit einer abschließenden Offensive bei den Mitgliedern des Fußball-Weltverbands um Stimmen geworben. Als letzter Anwärter sprach Favorit Scheich Salman bin al-Chalifa in einem Züricher Fünf-Sterne-Hotel vor den Verbänden aus Ozeanien sowie Nord-, Mittelamerika und Karibik.

 

Wie der Fifa-Vizepräsident aus Bahrain gab sich auch sein größter Kontrahent Gianni Infantino siegesgewiss: „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte der uefa-Generalsekretär aus der Schweiz - obwohl Gerüchte aufkamen, dass die ihm aus Südamerika versprochene Zustimmung doch noch wackeln könnte.

Um die große Mehrheit der Stimmen aus Europa muss Infantino nicht fürchten - die Pressekonferenz nach dem uefa-Kongress am Nachmittag wurde von der Europäischen Fußball-Union jedoch überraschend gestrichen. Dabei hätte sich Infantino möglicherweise kritischen Fragen zur Sperre von uefa-Chef Michel Platini stellen müssen.

Kopf-an-Kopf-Rennen von al Chalifa und Infantino

Zuvor versuchte der Schweizer im Luxushotel möglichst rasch an den rund 20 TV-Kameras vorbeizukommen und streckte lediglich gut gelaunt den erhobenen Daumen in die Höhe. Kommentarlos betrat al Chalifa den Tagungsraum - und machte den CONCACAF-Nationen überraschende Wahl-Versprechen. Diese müssten keine Einschnitte bei der Sitzanzahl in Fifa-Komitees fürchten. In den Reformen, die beim Kongress verabschiedet werden sollen, ist aus Kosten- und Strukturgründen allerdings eine Reduzierung der Komitees von 26 auf neun vorgesehen.

Wahl-Außenseiter Prinz Ali bin al-Hussein schaffte es angesichts des tumultartigen Andrangs hingegen erst gar nicht in den Aufzug - und nahm entnervt die Treppe auf dem Weg zu dem Treffen mit den Konföderationen. „Es wird das erste Mal sein, dass ein Präsident eines Nationalverbands zum Fifa-Präsident gewählt wird“, sagte der 40-Jährige anschließend selbstbewusst.

Mehr als ein Achtungserfolg wird dem Chef der jordanischen Föderation bei der Wahl allerdings nicht zugetraut. Entscheiden könnte das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen von al Chalifa und Infantino allerdings, in welches Lager die Unterstützer von al-Hussein wechseln werden.

„Die Fifa ist ein kaputtes Haus“

Trotz der mangelnden Unterstützung einer Konföderation will der chancenlose Tokyo Sexwale seine Kandidatur nicht vor dem Kongress im Zürcher Hallenstadion zurückziehen. „Es geht hier um die Fifa. Die Fifa ist ein kaputtes Haus und muss repariert werden. Sie werden morgen mehr hören, wenn ich auf der Bühne spreche“, erklärte der Südafrikaner. Nur die Kandidaten dürfen am Freitag noch einmal 15 Minuten vor dem Kongress sprechen.

Auch der fünfte Bewerber Jérôme Champagne denkt nicht an eine vorzeitige Aufgabe. „Natürlich trete ich an. Ich rede nicht über hypothetische Dinge“, sagte der Franzose auf die Frage, welchen Kandidaten er nach einem möglichen Aus bei der Wahl unterstützen werde. Im ersten Wahlgang braucht es zwei Drittel der Stimmen für einen Sieg, danach reichen mehr als 50 Prozent. Vom zweiten Wahlgang an scheidet jeweils der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus.

Fifa-Kandidaten: Trio ohne Chance

Eine Siegchance haben sie nicht. Doch noch hat keiner aufgegeben. Tokyo Sexwale, Jérôme Champagne und Prinz Ali bin al-Hussein wollen bei der Wahl zum Fifa-Präsidenten zumindest antreten. Der Königssohn aus Jordanien könnte immerhin das Zünglein an der Waage sein.

PRINZ ALI BIN AL-HUSSEIN:

Der Königssohn aus Jordanien ist die tragische Figur der Funktionärswelt. Als im Mai 2015 ein Kontrahent gesucht wurde, der gegen Joseph Blatter antritt, schickten ihn die Europäer vor. Ihr logischer Bewerber Michel Platini traute sich nicht. Prinz Ali holte einen Achtungserfolg, konnte Blatter aber nicht schlagen. Jetzt wird wieder gewählt, aber die Unterstützung aus Europa ist Vergangenheit.

Da der 40-Jährige auch in Asien keine Hausmacht hat, geht er auf Einzelstimmenfang. Malta und der Irak haben die Unterstützung zugesagt. Interessant könnte werden, in welches Lager seine Freunde wechseln, wenn Prinz Ali wie erwartet vor dem letzten Wahlgang ausscheidet. Dann könnten diese zum Königsmacher werden.

Für al-Hussein selbst ist die internationale Funktionärskarriere am Freitag wohl vorbei. Bei der Fifa hat das einstige Exko-Mitglied kein Amt mehr. Noch vor Jahren galt er als legitimer Blatter-Nachfolger, doch Prinz Ali meinte es mit den Reformen wohl zu ernst und wandte sich zu früh von dem Langzeitherrscher ab.

JÉRÔME CHAMPAGNE:

Jede Stimme wäre für den Franzosen ein Erfolg. Ohne Anknüpfung zum Fifa-Apparat hatte der einstige stellvertretende Generalsekretär des Weltverbandes trotz oder gerade wegen manch mutiger Reformidee keine Chance. Schon 2015 wollte er kandidieren. Immerhin bekam er diesmal die notwendigen fünf Unterstützerschreiben zusammen und kann am Freitag dem Auditorium seine Ideen präsentieren.

Unklar blieb, wie nahe Champagne seinem einstigen Chef Blatter immer noch steht. Auf klare Distanz ging er nie. Bis 2010 war er in das System des Schweizers an hoher Stelle involviert. Der einstige französische Diplomat war für die internationalen Beziehungen zuständig.

Nach seiner Demission, für die sein Landsmann und Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke verantwortlich gewesen sein soll, wurde er Berater von kleinen Fußball-Nationen wie Palästina oder Kosovo. Im Gegensatz zu uefa-Generalsekretär Gianni Infantino musste er seinen Wahlkampf selbst finanzieren.

TOKYO SEXWALE:

Bei der Suche nach einem integren Nachfolger von Joseph Blatter wurde in Weltverbandskreisen früh der Name Tokyo Sexwale genannt. Zunächst zierte sich der einstige Anti-Apartheidskämpfer ein wenig, kandidierte dann aber doch. Was ihn motivierte, blieb bislang unklar. Die zustimmenden Worte von Fußball-Größen wie Franz Beckenbauer werden es aber kaum gewesen sein.

Der zum millionenschweren Geschäftsmann gewordene Südafrikaner zeigte gar kein Engagement, die Fifa-Familie von sich zu überzeugen. Der stimmenstarke Afrika-Verband ignorierte ihn förmlich.

Woher Stimmen für Sexwale kommen sollen, erscheint fraglich. Das hat auch der lustlose Kandidat natürlich realisiert. Zu Wochenbeginn sprach er schon von möglichen Allianzen. Mit Infantino besuchte er medienwirksamm die ehemalige Gefängnisinsel Robben Island - was aber eher Infantino half als ihm. Die Chancen, zum ersten afrikanischen Fifa-Chef zu werden, hat Sexwale jedenfalls verspielt.