Eine Prüfungsgesellschaft, die im Auftrag der Bundesregierung gearbeitet haben soll, kommt zu den Ergebnis, dass die Konzerne die Ausstiegskosten tragen können. Die Aktien von RWE und Eon stiegen teilweise um über zehn Prozent.

Bonn - Bei den Aktienwerten machten die Kurssprünge von RWE und Eon von zeitweise jeweils mehr als zehn Prozent Furore. Dem Ergebnis eines vom Bund in Auftrag gegebenen Gutachtens zufolge können die Versorger die Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke und die Lagerung von Atommüll stemmen. Mit den Stresstest-Ergebnissen hätten die Energiekonzerne nun ein Problem weniger, hieß es in einem Kommentar der französischen Bank Société Générale. Mitte September hatte ein Bericht über eine angebliche milliardenschwere Finanzierungslücke Panikverkäufe bei Eon und RWE ausgelöst.

 

Trotz der Ergebnisse des Gutachtens hält der Co-Vorsitzende der Endlagerkommission des Bundestags, Michael Müller (SPD), eine Entwarnung für die vier großen Energiekonzerne hinsichtlich der Atomausstiegskosten für verfrüht. Die nötigen Summen besonders für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls könnten deutlich über den bisherigen Ansätzen liegen, sagte Müller der „Frankfurter Rundschau“. Ein Gutachten, das die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat, hält es für möglich, dass die Stromkonzerne ausreichend Geld haben, um ihre Atomkraftwerke in Deutschland abzureißen und die strahlenden Reste zu entsorgen.

23 Atomkraftwerke wurden gebaut

In Deutschland sind die Energieversorgungsunternehmen gesetzlich verpflichtet, für den Rückbau ausgedienter Atomkraftwerke und die Entsorgung von Atommüll aufzukommen. Sie haben für die 23 kommerziellen Atomkraftwerke, die in der Bundesrepublik gebaut wurden, bis Ende 2014 Rückstellungen von insgesamt 38,3 Milliarden Euro gebildet. Am meisten hat Eon zurückgestellt (16,6 Milliarden Euro), weil dieser Konzern am stärksten in Atomkraftwerke investiert hat, noch sechs betreibt und acht stillgelegt hat. Auf RWE entfallen 10,4 Milliarden Rückstellungen, auf EnBW 8,1, auf Vattenfall Deutschland drei Milliarden Euro und auf die Stadtwerke München 564 Millionen Euro.

Damit müssen über Jahre verteilt hohe Kosten abgedeckt werden. Die Prüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton kommt bei heutigen Preisen auf Entsorgungskosten von 47,5 Milliarden Euro. Mit 19,6 Milliarden Euro entfällt dabei der größte Posten auf die Stilllegung und den Abriss der Kraftwerke. Acht von ihnen liefern noch Strom ins Netz. Sie werden bis 2022 nach und nach abgeschaltet und bis 2030 abgerissen. Es sei davon auszugehen, dass die Kosten im Laufe der Jahre steigen werden, schreiben die Gutachter.

Es geht um die Zinsen

Welche Kosten künftig anfallen, lässt sich errechnen. Strittig dabei ist, welcher Zinssatz dafür genommen werden soll. Die Energieversorger legen einen Zinssatz von im Schnitt knapp 4,6 Prozent zugrunde. Die Gutachter rechnen dagegen mit Zinsen zwischen zwei und 5,25 Prozent sowie jährlichen Kostensteigerungen bis zwei Prozent. Da der Marktwert der Konzerne, einschließlich Rückstellungen, derzeit mit 83 Milliarden Euro veranschlagt wird, können die Konzerne ihre Entsorgungspflichten erfüllen, meinen die Gutachter.

Die Bundesregierung überlegt, ob das System geändert werden soll. Die Rückstellungen könnten etwa von einer Stiftung unter Kontrolle des Bundes oder einem Fonds kontrolliert werden. Rundweg ablehnen wollen die Unternehmen das nicht. Eon teilt mit, es sei für Lösungen offen, die der gemeinsamen Verantwortung von Unternehmen und Staat Rechnung trügen. „Gemeinsam“ könnte aber heißen, dass sich auch die Steuerzahler an den Kosten beteiligen sollen.