Seit 31 Jahren setzt die Werbeagentur „Die Crew“ Unternehmen und Marken in Szene. Aus ihrer S21-Kampagne, durch die sie ungewollt ins Rampenlicht gerieten, haben die Werber einiges gelernt.

Stuttgart - Früher genügte vielleicht noch ein simpler Slogan auf einem Plakat, um Konsumenten von einem Produkt zu überzeugen. Heute, im digitalen Zeitalter, müssen sich Werbeleute komplexere und auch subtilere Strategien überlegen. Den Wandel, der sich in der Werbebranche vollzogen hat, hat die Stuttgarter Agentur Die Crew hautnah miterlebt – schließlich setzten die PR- und Marketingexperten vom Killesberg seit nunmehr 31 Jahren Unternehmen und Marken in Szene.

 

„Man erreicht Menschen kaum mehr über klassische Kommunikationsformen, sondern vielmehr über Geschichten, die sie faszinieren“, sagt Martin Süßmuth, einer der beiden neuen Inhaber der Werbeagentur, im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Für Süßmuth, der 1996 bei Der Crew angefangen hat und 2002 zum Gesellschafter wurde, steckt hinter jedem Unternehmen und jedem Produkt eine spannende Story. Diese zu erzählen und damit „der Marke ein Gesicht zu geben“, wie der 52-jährige Stuttgarter sagt, gehört zur täglichen Arbeit seiner Agentur. Gemeinsam mit Michael Frank hat er die Agentur jüngst von dem Unternehmensgründer Gerhard Mutter übernommen.

Die Kunden beschäftigen sich intensiv mit einer Marke

Wie diese moderne Form des Werbens aussehen kann, veranschaulicht eine Kampagne, die Die Crew im Sommer für den Göppinger Getränkehersteller Aqua Römer lanciert hat: Über mehrere Wochen hinweg wurden täglich zwei von insgesamt hundert „unvergesslichen und einzigartigen Momenten“ verlost – etwa ein Besuch in einem Freizeitpark oder eine Schiffsrundfahrt. Dafür mussten die Kunden Codes auf der Homepage von Aqua Römer einlösen, die in den Deckeln der Getränkeflaschen zu finden waren. Mehr als 200 000-mal sei dies geschehen, erzählt Süßmuth. „Das hat dafür gesorgt, dass die Leute sich intensiv mit der Marke beschäftigt haben“, erklärt er das Prinzip.

„Corporate Branding“ nennt sich im Fachjargon diese Art und Weise, Marken über einen längeren Zeitraum hinweg aufzubauen, um Unternehmen zu profilieren und damit den Unternehmenswert zu steigern. Und solche Kampagnen spielen sich zunehmend im Internet ab – auch viele von denen, die Die Crew für ihre Kunden entwickelt. Inzwischen macht die Stuttgarter Agentur 30 Prozent ihres Gesamtumsatzes von etwa sieben Millionen Euro mit digitalen Aufträgen.

Ein Geschäftsführer kommt aus der Online-Werbung

Und der Bereich soll noch weiter wachsen. Dafür hat sich Süßmuth im Frühjahr mit Michael Frank einen Experten für Onlinewerbung an seine Seite geholt. Der 41-Jährige war bis zuletzt Geschäftsführer der 2012 gegründeten Stuttgarter Werbeagentur Exit-Industry. Süßmuth und Frank halten nun jeweils 50 Prozent der Crew-Anteile. Firmengründer Gerhard Mutter steht nun dem Aufsichtsrat vor. Der heute 62-Jährige hatte die Werbeagentur 1983 zusammen mit Holger Bungert gegründet – und sie auf den damals ausgefallenen Namen Die Crew getauft.

Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen insgesamt 50 Mitarbeiter am Hauptsitz in Stuttgart, an zwei weiteren Standorten in Konstanz und in München sowie in den beiden Vertriebsbüros in Wien und Zürich. „Die Pharmaindustrie, klassische Konsumgüter und industrielle Dienstleistungen sind die drei Bereiche, in denen wir hauptsächlich aktiv sind“, erzählt Frank. So betreut Die Crew neben Aqua Römer etwa den Ulmer Generikaspezialisten Ratiopharm, die Kosmetikmarke Maria Galland und den Uhrenhersteller Junghans. Es gibt Themen, von denen die Werbeagentur lieber die Finger lässt. „Dazu gehört die Rüstungsindustrie“, sagt Süßmuth.

Die Stuttgart-21-Kampagne hatte ernsthafte Folgen

An ein heikles Thema hatte sich die Agentur dennoch gewagt: Im Frühjahr 2010 gewann Die Crew – damals noch unter der Führung ihres Gründers Mutter – die internationale Ausschreibung für eine neue Stuttgart-21-Kampagne. „Es stimmt, dass Geld knapp und Stuttgart 21 teuer ist. Es stimmt aber auch, dass Stuttgart 21 rund 10 000 Dauerarbeitsplätze schafft und rund 7000 während der Bauzeit“, lautete eine von sechs Botschaften – gedruckt auf riesige Pappwände – mit denen die Agentur das Image des umstrittenen Großprojektes verbessern wollte.

Der Auftrag bewirkte allerdings vor allem eines: Die Crew geriet selbst ins Rampenlicht – und bekam den Zorn der Stuttgart-21-Gegner zu spüren. „Unbekannte haben damals die Glasschilder vor unserem Eingang zerstört und „Stoppt Stuttgart 21“-Aufkleber darüber geklebt“, erzählt Süßmuth. Auch verbal seien er und die anderen Mitarbeiter angegangen worden. „Wir haben das Feuer, das da gebrannt hat, vollkommen unterschätzt“, sagt Süßmuth rückblickend. Eines zumindest habe man daraus gelernt: „Es gibt Themen, die man kommunikativ nicht einfangen kann“ – weder mit klassischen Werbebotschaften noch mit digitalen Strategien.