In einem Werbevideo des Arbeitgeberverbandes für Stuttgart 21 finden sich angeblich Fotomotive aus einem Studentenprojekt der Hochschule der Medien wieder. Ist das Zufall?

Stuttgart - Die Affäre um das Stuttgart-21-Werbevideo des Arbeitgeberverbands weitet sich aus. Zunächst hatte es dessen Präsident Dieter Hundt eine „Granatensauerei“ genannt, dass der Verein „Umkehrbar“ das Zeitrafferfilmchen, in dem für ein Nein zum Ausstiegsgesetz geworben wird, in seinen eigenen Spot eingebaut hatte. Hundt ließ die Verbreitung per einstweiliger Verfügung untersagen. Der „dreiste Inhaltsklau“ bestand darin, dass der Befürworter-Spot nach dem Abspann von dem Schauspieler Walter Sittler kommentiert wird, der ihn sich im Kino angeschaut hatte. Er weist die Zuschauer darauf hin, dass in dem Filmchen alles richtig sei – bis auf das Fazit: er plädiere für ein Ja zum Ausstieg.

 

Jetzt sieht sich allerdings auch der Kläger dem Vorwurf ausgesetzt, es mit dem Urheberrecht nicht so genau zu nehmen. Neun Professoren und diverse Studenten der Hochschule der Medien werfen dem Arbeitgeberverband, vor allem aber der von ihm beauftragten Agentur Fischer Appelt, vor, ungefragt Ideen, Bildmotive und Einstellungen aus ihrem Film Stuttgart 24h kopiert zu haben. Dieser sei im Rahmen einer Lehrveranstaltung entstanden. Es gehe nicht ums Geld, sondern ums Prinzip, eine Klage könnten sich die Studierenden eh nicht leisten. 

Als Beleg sollen vier in dem S-21-Video verwendete Motive von Schloss Solitude, dem Kunstmuseum, der Weinsteige und der Stadtbahnhaltestelle in Weilimdorf dienen, deren Komposition (Blickwinkel, Brennweite, Bildschnitt) mit den Werken der Studenten identisch seien, sagen die Professoren Axel Hartz, Stephen Lowry, Johannes Schaugg und Uwe Schulz. Auch die Zeitrafferidee sei übernommen worden. In der Umsetzung gibt es geringe Abweichungen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Agentur die Ideen der Studenten von einem eigenen Medienteam umsetzen ließ. Dass ausgerechnet die am Rande der Stadt liegende Haltestelle Löwenmarkt abgelichtet worden sei, kann aus Sicht der Betroffenen kein Zufall sein. Sie sagen, um diese Einstellung zu finden, hätten sie tagelang recherchiert.

Umgekehrter Sonnenuntergang

Kuriosität am Rande: der von der Weinsteige aus gefilmte Sonnenaufgang ist eigentlich ein Untergang – die Profis lassen den Film einfach rückwärts laufen, was leicht am Rauch zu erkennen ist, der in einen Schornstein zurückfällt.

Während sich der Arbeitgeberverband noch darüber freut, dass das Landgericht „zweifelsfrei eine Verletzung von Urheberrechten festgestellt hat“, mag er den gegen ihn gerichteten Plagiatsvorwurf nicht kommentieren. Ein PR-Problem deutet sich hingegen bei Fischer Appelt an. Die Agentur, die sich erst von den Filmemachern des Studiengangs Audiovisuelle Medien für die Verwendung diverser Einstellungen eine klare Absage eingehandelt hatte, weil es um einen Spot für Stuttgart21 gegangen sei, wie der Student Christian Falck sagt, flüchtet sich nun in Ausreden.

stuttgart24h from stuttgart24h on Vimeo.

Ein Sprecher des Unternehmens nannte die Kritik "absurd". "Wer verbieten möchte, das Schloss Solitude oder das Kunstmuseum Stuttgart zu filmen, kann auch verbieten, den Eiffelturm zu filmen." Ein untaugliches Beispiel, sagen die Profesoren. Gerade das Pariser Wahrzeichen sei besonders urheberrechtlich geschützt. Damit aber nicht genug: der Geschäftsführer Matthias Wesselmann, derzeit von Fischer Apppelt für die Pro-S-21-Kampagne abgestellt, versuchte, den Spieß am Beispiel eines Motivs umzudrehen, das den Güterbahnhof zeigt. Die Studierenden wiesen den Vorwurf, sich für ihren Film selbst Ideen entlehnt zu haben, empört zurück: Der Profi erkenne leicht den deutlich anderen visuellen Charakter.