Die Macher von Werbeclips stehen heute nicht nur vor den Herausforderungen der Digitalisierung. Wichtiger denn je ist es auch, eine emotionale Geschichte rund um das Produkt zu erfinden, die den potenziellen Konsumenten in den Bann zieht.

Stuttgart - Ein korpulenter Endfünfziger mit grauem Vollbart und dunkler Sonnenbrille tanzt zu Elektrosounds durch Verkaufsregale oder Privatwohnungen, badet in Milch und Knuspermüsli und würdigt alles – egal, ob es sich um Wurst, Kekse oder Toilettenpapier handelt – mit seiner sonoren Stimme als „supergeil“. Das Werbevideo der Supermarktkette Edeka mit dem Berliner Künstler Friedrich Liechtenstein steckt an. Seit seinem Erscheinen Anfang 2014 wurde es millionenfach im Netz geklickt und geteilt. Der dreiminütige Clip, der von der Hamburger Werbeagentur Jung von Matt (JvM) konzipiert wurde, ist ein Beispiel für erfolgreiches virales Marketing.

 

„Wir glauben, dass sich ein Werbefilm nur dann durchsetzen kann, wenn er eine Idee hat, die herausragend ist“, sagt Peter Waibel, der Geschäftsführer der Stuttgarter JvM-Niederlassung. Plumpe Werbesolgans funktionieren demnach also schon längst nicht mehr. Um zu überzeugen, müsse das Video den Zuschauer unterhalten, Emotionen bei ihm hervorrufen und dadurch die Botschaft rüberbringen, sagt Waibel, der in der Jury des diesjährigen Spotlight-Festivals sitzt – ein Wettbewerb für deutschsprachige Werbespots, der im Rahmen des am Dienstag beginnenden Trickfilmfestivals erstmalig in Stuttgart stattfinden wird (siehe Seite 2).

Die Branche steht vor vielen Herausforderungen

Die Werbefilmbranche in Deutschland steht vor vielen neuen Herausforderungen. Zum einen ist das Umfeld sehr kompetitiv: Allein in Deutschland buhlen etwa 30 große Produktionsfirmen, die zusammen jährlich rund 350 Millionen Euro Umsatz generieren, um die Aufträge aus der Wirtschaft. Zudem gibt es zunehmend Konkurrenz und Preisdruck aus dem Ausland. So sei bis vor Kurzem viel in den USA produziert worden, sagt Waibel. Das sei aber wegen des starken Dollars gerade nicht mehr der Fall. „Nun sind vor allem osteuropäische Anbieter im Kommen, weil sie sehr preisattraktiv sind“, so der Werbeexperte.

Hierzulande kommen die Macher der Branche aus München, Berlin und Hamburg. Acht von zehn Produktionen entstehen dort, schätzt Waibel. Auch wenn die Region Stuttgart eine Hochburg der Animationsbranche ist – hier sitzen viele erfolgreiche Animationsfirmen, die unter anderem auch an großen Hollywoodproduktionen beteiligt sind – spielt die Werbefilmbranche im Land nach Einschätzung von Waibel eher eine untergeordnete Rolle.

Die Produzenten müssen crossmedial arbeiten

Neben dem hart umkämpften Markt stellt auch die Digitalisierung die Werbeagenturen und Produktionsfirmen, die für die Entwicklung und Umsetzung der Werbefilme verantwortlich sind, vor neue Aufgaben. So müssen die Produzenten crossmedial arbeiten, also Fernsehen und Internet zugleich bedienen. Es werde versucht, so erzählt Waibel, das Material für den Werbeclip an einem Tag zu drehen. Denn ein Drehtag ist mit Kosten von bis zu 100 000 Euro recht teuer. Beliebt seien Locations wie Südafrika oder Städte wie Barcelona – „wegen des schönen Wetters“, sagt Waibel. In der Postproduktion, die mehrere Wochen in Anspruch nimmt, entstehen dann verschieden lange Versionen eines Werbespots für die unterschiedlichen Kanäle Fernsehen, Kino und Internet.

Auch wenn immer weniger – vor allem junge – Menschen Fernsehen schauen, erreicht man trotzdem immer noch eine breite Zielgruppe über das TV. „Deswegen wird für diesen Kanal noch sehr viel gemacht“, sagt Waibel. Vor allem aber spielen in diesem Zusammenhang mobile Endgeräte eine immer wichtigere Rolle. Denn laut einer aktuellen Studie der Hamburger Mediaagentur Initiative greifen 74 Prozent all jener, die in Deutschland ein mobiles Endgerät besitzen, während des Fernsehschauens zum Smartphone oder Tablet. Weckt ein guter Werbefilm das Interesse, informieren sich die Zuschauer auch gerne zeitgleich über das Gezeigte: So nutzen 70 Prozent ihr Smartphone für die Recherche von TV-Inhalten; 68 Prozent shoppen während des Fernsehschauens im Netz.

Doch auch wenn ein Werbefilm noch so gut produziert ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch Erfolg haben wird. „Es ist ein Irrglaube, dass man das Video einfach ins Netz stellt und es sich dann ganz von alleine verbreitet“, sagt Waibel. Vielmehr benötige man Multiplikatoren wie Blogger oder bekannte Youtuber, die den Film unter ihren Fans und deren Freunden bekannt machen. Auch Stars, die in den Clips mitspielen und ihn dann beispielsweise in den sozialen Netzwerken posten, können dabei helfen, das Werbevideo erfolgreich werden zu lassen.

Der Werbefilmwettbewerb Spotlight

Historie: Das Spotlight-Festival ist ein Wettbewerb für deutschsprachige Werbefilme. Es wurde im Jahr 1998 in Ravensburg gegründet und gilt inzwischen als einer der weltweit wichtigsten Kreativwettbewerbe. Zuletzt war das Festival in Mannheim angesiedelt. In diesem Jahr findet die 18. Ausgabe von Spotlight im Rahmen des Internationalen Trickfilmfestivals ITFS(5. bis 10. Mai) nun erstmalig in Stuttgart statt.

Festival: Am 8. und 9. Mai dreht sich beim Spotlight-Festival in der Landeshauptstadt alles um die Werbefilmbranche. Neben Podiumsdiskussionen wird es auch einen Wettbewerb mit den Kategorien „Profi“ und „Nachwuchs“ geben. Die im Vorfeld rund 250 eingereichten Werbefilme werden von einer 25-köpfigen Fachjury sowie einer Publikumsjury bewertet und ausgezeichnet.

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