Ein 74-Jähriger ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Der Mann hatte bei einem Parkplatzstreit in Wernau seinen Widersacher zu Boden gestreckt. Der starb vier Monate später.

Wernau - Ein 74-Jähriger ist am Montag von der 9. Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden. Der Mann hatte im Zuge eines Parkplatzstreits am Vormittag des 7. Dezember 2013 in Wernau einen damals 86-Jährigen gegen die Brust geboxt, wodurch dieser das Gleichgewicht verlor, rücklings zu Boden stürzte und so unglücklich mit dem Kopf aufschlug, dass er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Gut vier Monate später starb der Mann in einem Krankenhaus.

 

Die Kammer geht von einer zur Tatzeit erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aus, bedingt durch eine Persönlichkeitsstörung und eine langjährige Abhängigkeit von Psychopharmaka. Damals seien sich in Wernau „zwei Charaktere begegnet, die sich nie hätten begegnen dürfen“, befand Wolfgang Hahn, der Vorsitzende Richter der Kammer, zu Beginn seiner Urteilsbegründung. Zum einen das damals 86-jährige Opfer, dem Hahn die „Macke“ bescheinigt, selbst ihm fremde Personen ständig lautstark und beleidigend auf deren vermeintliches Fehlverhalten hinzuweisen. Zum anderen der Angeklagte aus Böblingen, der sich ebenfalls schnell aufrege und deshalb schon zu zwei Geldstrafen verurteilt worden war, weil er Nachbarn beleidigt hatte.

Zwei Hitzköpfe trafen aufeinander

Damals trafen also zwei Hitzköpfe aufeinander. Dem 86-Jährigen missfiel, wie der Angeklagte sein Auto geparkt hatte. Das Fahrzeug ragte mit dem Heck leicht in die Fahrbahn und mit der Front ein wenig in den Fußgängerbereich hinein. Lautstark und bevormundend stellte der Nörgler den Angeklagten daraufhin zur Rede. Und weil er sich gar nicht habe beruhigen wollen, habe ihn der Angeklagte geschüttelt und gegen die Brust geschlagen, „um ihn sich vom Hals zu schaffen“, so Hahn. Dass der Senior fortgeschrittenen Alters dadurch gestürzt sei und sich schwer verletzt habe, sei für den Angeklagten „vorhersehbar und vermeidbar“ gewesen. Gleichwohl habe er den Tod seines Kontrahenten „nicht gewollt oder billigend in Kauf genommen“. Zwar sei das Opfer im April an einer schweren Lungenentzündung gestorben, doch letztlich sei auch diese eine Folge des Fausthiebs gewesen.

Dennoch ist der 74-Jährige mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr davon gekommen. Denn neben der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten erkannte der Vorsitzende Wolfgang Hahn in der Tat „Züge eines Unglücksfalls“. Außerdem habe das Opfer die Situation durch seine verbale Aggressivität selbst ausgelöst. Der Angeklagte habe in der Verhandlung zudem etwas Reue gezeigt, wenngleich diese eher in Selbstmitleid übergegangen sei.

Der 74-Jährige äußert am Tatort kein Bedauern

Schon unmittelbar nach der Tat habe der heute 74-Jährige die Folgen seines Hiebes nicht sehr bedauert. Angesichts des bewusstlos am Boden liegenden Mannes habe er laut Zeugen geäußert, es sei ihm egal, was mit dem Widersacher passiert sei. „Ich bin ein Radikaler“, soll er am Tatort erklärt haben. Dieses Verhalten sei auch auf eine verminderte Empathiefähigkeit zurückzuführen, die die langjährige Abhängigkeit von Psychopharmaka verursacht habe. Die Strafe kann laut Hahn zur Bewährung ausgesetzt werden, weil er nicht mit der Wiederholung einer solchen Tat rechnet: „Von ihm sind in erster Linie verbale Entgleisungen zu erwarten.“