Der Stuttgarter Bauingenieur und Architekt Werner Sobek erhält am 4. Juli den Fritz-Leonhardt-Preis. Aus diesem Anlass blickt er zurück auf seinen Werdegang und beschreibt die Herausforderungen, vor denen seine Profession heute steht.

Stuttgart - - Fritz Leonhardt war einer der großen Bauingenieure des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Namen untrennbar verbunden ist der Stuttgarter Fernsehturm. Nun wird sein Nachnachfolger Werner Sobek mit dem Leonhardt-Preis geehrt.
Herr Sobek, Sie haben in Ihrem Leben schon viele Auszeichnungen erhalten. Was bedeutet Ihnen der Fritz-Leonhardt-Preis?
Die Auszeichnung kam überraschend, hat mich aber natürlich gefreut. Überraschend, da es ja eine Auszeichnung für mein Lebenswerk ist – und ich erhalte diesen Preis nun in vergleichsweise jungen Jahren und habe doch noch so vieles vor. Die Auszeichnung ist aber eine schöne Bestätigung für das bisher Erreichte, und sie ist vor allem ein wichtiges Signal für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Institut und in meinen Büros. Ich nehme den Preis deshalb auch für alle diese Menschen um mich herum entgegen.
Was hat sich in den Ingenieurwissenschaften seit Fritz Leonhardt verändert?
Unser Bild der Dinge hat sich deutlich erweitert. Ein Beispiel: während Fritz Leonhardt noch in einem linearen Planungsprozess arbeiten konnte – das heißt, ein Architekt entwickelte eine Struktur, der Ingenieur machte sie standsicher nach allen Regeln der Kunst, die Baufirma realisierte sie dann –, sind wir heute fest in der integralen Planung verankert. Ein Planer muss ein Bauwerk von seinen ersten Skizzen bis zum Abbau betrachten.
Was bringt diese ganzheitliche Betrachtungsweise?
Das Bauwesen ist die einzige Industrie signifikanter Größenordnung, bei der Planung und Produktion strikt voneinander getrennt sind. Bei öffentlichen Bauvorhaben ist es den Planern sogar verboten, mit den Baufirmen Kontakt aufzunehmen. Die Baufirmen sollen keine Vorinformationen bekommen, die ihnen bei der Abgabe eines Angebots zu einem Vorsprung verhelfen könnten. Das bedeutet, dass viel Gedankengut der Planer bei der ausführenden Seite nicht ankommt und deshalb auch nicht zur Umsetzung gelangt. Umgekehrt profitiert die planerische Seite relativ wenig von den technischen und prozeduralen Entwicklungen bei den Baufirmen. Und beide Seiten widmen sich viel zu wenig dem, was man heute Facility Management nennt. Dinge wie Reparatur, Reinigung, Heizen, Kühlen und das Austauschen von technischen Subsystemen werden weder in der Planungsphase noch in der Produktionsphase berücksichtigt. Im Automobilsektor ist es undenkbar, dass Designer und Planer nicht vom ersten Tag an mit den Kollegen aus der Produktion und dem Kundendienst sprechen.