Mit 18 Jahren kam sie zum Studieren von Benin nach Deutschland. Viele Jahre später hat Lidwine Reustle ihren Traumjob ergattert – und das in Göppingen.

Region: Corinna Meinke (com)

Göppingen - Eine große Portion Fachwissen, Lebensfreude und Emotion bringt die neue Gleichstellungsbeauftragte des Kreises, Lidwine Reustle, offenbar mit ins Amt. Die 34-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin aus München ist seit dem 1. Dezember in der Stabstelle für Kreisentwicklung und Kommunikation tätig.

 

Theorie und Praxis klaffen auseinander

„Wir sollten alle gleich behandelt werden“, umreißt Reustle ihr Ziel in Sachen Gleichstellung der Geschlechter. Ein Anspruch, den die Gesetzeslage zwar einfordere, der in der Praxis aber längst nicht umgesetzt werde, solange Frauen beispielsweise in Führungsetagen unterrepräsentiert seien, in den Familien dagegen aber häufig große Verantwortung übernähmen, erläutert Reustle.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen steht bei ihr deshalb auch ganz oben auf der Agenda. Schon in den vergangenen Jahren habe sie als selbstständiger Coach und ehrenamtlich im Netzwerk Munich Business Women Frauen im beruflichen Umfeld gestärkt. Mit der neuen Aufgabe im Kreis Göppingen gehe sie weg von der Arbeit mit Einzelpersonen und hin zur Arbeit an den Strukturen. Die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten ist vom Kreis nun von 80 auf 100 Prozent aufgestockt worden. Da Reustle erst kurze Zeit in der Region Stuttgart lebt, muss sie die Netzwerke im Kreis Göppingen erst kennenlernen. Die Arbeit für Frauen sei auf jeden Fall eine Aufgabe, für die sie brenne. „Die Stelle passt genau“, bekennt die gebürtige Westafrikanerin, die am ersten Arbeitstag bereits die große Dezernentenrunde der Kreisverwaltung miterlebt und mit der Vorstellungstour durch die Referate begonnen hat.

Mit 18 Jahren kam sie zum Studieren nach Deutschland

Dass sie dank ihrer Herkunft aus Benin zwei Kulturen in sich trägt, versteht die 34-Jährige als Chance. „Ich versuche immer, das Positive aus beiden Kulturen für mich zu nutzen und das andere abzugeben“, schildert sie den Spagat zwischen afrikanischen Wurzeln und ihrer europäischen Prägung, die mit 18 Jahren begann, als sie zum Studium der Wirtschaftswissenschaften nach Aachen kam. Nach beruflichen Stationen in den Bereichen Marktforschung und Marketing in Wetzlar und München lebt Reustle, die mit einem Schwaben verheiratet ist, inzwischen in Ostfildern (Kreis Esslingen).

„Meine Eltern wollten mir und meinen Geschwistern diese Auslandserfahrung ermöglichen, schon mein Vater ging zum Studieren nach Ungarn.“ Verantwortung zu übernehmen und hart zu arbeiten, das habe sie bereits im Elternhaus gelernt, zumal ihre Mutter immer berufstätig gewesen sei, sagt Lidwine Reustle.

Klare Meinung in der Kopftuch-Debatte

Als geübte Netzwerkerin möchte Reustle auch Gemeinschaft stiften. Solche Angebote seien wichtig, da immer mehr Frauen isoliert lebten. Dagegen möchte sie ein lebendiges Miteinander, mehr Lachen und mehr Freude setzen. Und mit Neugier und Respekt für den anderen und seine Kultur wachse auch das Verständnis für die kulturellen Unterschiede. „Wir sollten die eigene kulturelle Brille öfter abnehmen“, fordert Reustle, denn nicht alles müsse immer so sein, wie wir es kennten. Und bevor wir irgendeine Form der Unterstützung anböten, sollten wir erst mal fragen, was gebraucht werde. Zur aktuellen Kopftuchdebatte sagt sie: „Ein Verbot wäre genauso widersinnig, wie wenn es heißen würde, Frauen dürfen keine Röcke mehr tragen“. Für Reustle ist das Kopftuch nur das vordergründige Thema. „Wir müssen fragen, wo denn das eigentliche Problem liegt und was kann ich dagegen tun.“