In einem 28-stündigen Marathon tüfteln junge Entwickler an Lösungen für eine bessere Verkehrswelt. Die Ergebnisse sind beeindruckend.

Stuttgart - Idealismus gehört dazu. Sonst stünde keine Flotte von Teslas in der Tiefgarage des Gerber. Die Firma Bridging IT und deren Chefs Klaus Baumgärtner und Martin Fischer wollen nicht nur schlaue Produkte verkaufen, sondern auch nachhaltige. Also fährt ein Großteil der rund 550 Mitarbeiter ein E-Auto. Insgesamt haben sie damit 1,5 Millionen Kilometer zurückgelegt. Damit hat die Stuttgarter IT-Beratungsfirma – abgesehen von den Automobilherstellern selbst – die größte elektrische Langstreckenflotte in Deutschland.

 

„Darin spiegelt sich unser Firmenmotto wieder“, erklärt Baumgärtner: „Practice what you preach.“ Frei übersetzt: Lebe das vor, was du verkaufen willst. Und beweise, dass es funktioniert.

Verkaufen will die Firma Lösungen für eine bessere Welt – zum Beispiel eine bessere Verkehrswelt in der Stadt. Aus diesem Grund veranstaltete die Firma zusammen mit der SSB, dem VVS, den Stadtwerken Stuttgart, SAP und Microsoft einen so genannten „Hackathon“ in ihrem Stuttgarter Büro im Gerber-Gebäude.

Bei diesem Marathon der Entwickler waren Studenten aufgerufen, in 28 Stunden Lösungen zum Thema „Nachhaltige Konzepte für die Mobilität im Großraum Stuttgart“ zu erfinden. Experten, Entwickler und Technikbegeisterte sollten mit Software und Hardware Lösungen für eine bessere Stadt austüfteln.

Stuttgart hat viele Ladestationen

Dabei ist Stuttgart – obwohl Stauhauptstadt – in Sachen Elektromobilität weiter vorne als viele andere deutsche Städte. Mannheim hat beispielsweise maximal sieben Ladesäulen für E-Autos, Stuttgart 273. Alleine auf der Theodor-Heuss-Straße findet der Elektromobilist auf beiden Straßenseiten Möglichkeiten, sein Gefährt aufzuladen. Der Grund für die günstige Situation ist nach den Worten von Baumgärtner das Zusammenspiel der Großen in der Region: „Daimler, EnBW und Bosch haben kooperiert“, sagt Baumgärtner. „Und die Stadt gab den politischen Rahmen vor, in dem so etwas überhaupt eine Chance hat.“

Mit dem positiven Beispiel Stuttgart ist auch der umgekehrte Fall erklärt. Wenn nicht alle Beteiligten an einem Strang ziehen, klemmt es mit der Verbreitung von Elektromobilität. Martin Fischer nennt es das „Henne-oder-Ei-Problem“. Was muss zuerst da sein: das E-Auto oder die Infra- und Ladestruktur? „Nur wenn die Automobilbauer, die Politik, die Energieversorger und die Medien zusammenarbeiten, entsteht eine Melodie, die gut klingt.“ Für schöne Harmonien ist letztlich auch der Dirigent verantwortlich – derjenige, der alles zusammenführt. Zuletzt hat es sich die Firma Bridging IT, zu deren Eröffnung auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn vorbeigeschaut hat, dies zur Aufgabe gemacht. Beim „Hackathon“ sollten die Studenten etwas entwickeln, das den normalen Nutzer in seinen täglichen Mobilitätsanforderungen weiter bringt.

Studenten paaren Dynamik und Kreativität

„Die Dynamik und Kreativität in allen Teams war beeindruckend. Es wurden in kurzer Zeit viele verschiedene Ansätze verfolgt und wieder verworfen; aber schnell wurde klar, der öffentliche Nahverkehr stand bei allen Teams im Fokus“, resümiert Martin Fischer und ist stolz auf das Siegerteam Smileride.

Die Nachwuchs-Entwickler überzeugten die Jury mit einer originellen Lösung. Ihre Smartphone-App erkennt die Stimmung und die Emotionen der Fahrgäste in einer S- oder Stadtbahn. Die erfassten Daten können so auch für eine Analyse genutzt werden. So ließe sich herausfinden, in welchen Teilen des Bahn-Netzes zu welchem Zeitpunkt die Fahrgäste glücklicher sind. Je nach dem Grad des Glücks kann man dann seine Bahn wählen. Konkret fährt man lieber entspannt eine Bahn früher oder später? Oder zu einem Zeitpunkt, an dem mehr Miesepeter mitfahren?

Neben Smileride erhielt das Team PeakMe den Partner-Sonderpreis für eine App, die Nutzer informiert, ob die gewünschte Bahn leer oder sehr voll sein wird. Dies ermöglicht die entspannte Planung der Route schon vor Verlassen des Hauses. Dabei werden Daten per Ultraschallsensoren und über An- und Abmeldungen an WLAN-Hotspots erfasst. Außerdem wurde Amazons digitale Sprachassistentin Alexa eingebunden, die künftig informieren soll, wie voll die ausgewählte Bahn sein wird.

Aus Sicht der beiden Bridging-Chefs ist es von der Idee zur Umsetzung der Ergebnisse des Hackathons noch ein weiter Weg. „Aber zwischen den Partnern und den Teilnehmern wird es zu einem weiteren Ideenaustausch kommen und das Wichtigste ist, dass die Teilnehmer eine tolle Erfahrung gemacht haben. Wann hat man schon mal die Möglichkeit, direkt von den Produktmanagern von Microsoft und SAP zu lernen?“

Alexander Joppich, IT-Systemarchitekt bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), ergänzte: „Ich war sehr beeindruckt davon, wie schnell sich fremde Menschen zu Teams zusammengefunden haben, um gemeinsam eine Idee auszuarbeiten. Ein Ziel der SSB ist es, dem Kunden digitale Angebote bereitzustellen, die eine Fahrt mit dem ÖPNV noch einfacher machen. Daher war die Teilnahme am Hackathon für uns besonders spannend.“ Und eines ist jetzt schon sicher. Auf irgendeine Weise wird es eine Fortsetzung geben – einen zweiten Marathon, in dem Nachwuchs-Entwickler um die Wette tüfteln.