Die Wetterkarte der ARD-"Tagesschau" feiert ihren 50. Geburtstag. Millionen von Zuschauern lassen sich jeden Abend das Wetter vorhersagen.

Stuttgart - Die Mutter aller Wettersendungen feiert Geburtstag: Am 1. März 1960 zeigte die ARD-"Tagesschau" zum ersten Mal ihre berühmte Wetterkarte. Seither hat sich das Ritual am Ende der beliebtesten deutschen Nachrichtensendung nur wenig geändert. Mögen auf anderen Kanälen fröhliche Wetterfrösche wie Jörg Kachelmann oder tiefdekolletierte Damen noch so launig über Blumenkohlwolken, Pollenflug oder Schnupfenwetter schwadronieren – im Original verliest wie vor Jahr und Tag eine Stimme aus dem Off nüchtern, ob es Sonne, Sturm oder Hagelschauer gibt, dazu wird die Karte eingeblendet, ohne Späßchen, ohne Show. 2009 verfolgten durchschnittlich 8,86 Millionen "Tagesschau"-Zuschauer allabendlich, worauf sie sich am nächsten Tag einzustellen hatten: Schirm oder Shorts. Hinter den Kulissen der stockseriösen Prognose, die auf den Daten des staatlichen Deutschen Wetterdienstes in Offenbach basiert, ging es in der Vergangenheit allerdings oft stürmisch zu. Den wohl berühmtesten Wirbel gab es 1999, als der Wetterdienst nicht rechtzeitig vor dem Orkan Lothar warnte. Zudem war die Wetterkarte oft ein Politikum.

Der Kampf um den Platz auf der Karte


So versuchten Ministerpräsidenten oder Bürgermeister immer wieder, bestimmten Städten einen prestigeträchtigen Platz auf der Karte zu verschaffen. Vergeblich: auf der Deutschlandkarte der "Tagesschau" ist nur Platz für zehn Städte, und der Zuschauer soll sich möglichst schnell orientieren können. Deshalb ist zum Beispiel Köln anstelle der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf eingezeichnet, und in Hessen Frankfurt am Main statt Wiesbaden. Heute ist kaum mehr vorstellbar, dass Deutschland auf der Wetterkarte lange in den Grenzen von 1937 gezeigt wurde. Als das endlich geändert wurde, protestierten die Vertriebenenverbände, erzählt der ARD-Autor Jochen Becker, der zum Jubiläum in den Archiven gewühlt und die Geschichte der Wetterkarte erforscht hat. Als Deutschland bereits im Juli 1990 wiedervereinigt auf der Karte auftauchte, war bei der ARD so mancher ungehalten, da die Einheit offiziell erst im Oktober besiegelt wurde.

Erste Gehversuche in Sachen Wetterprognose hatte das deutsche Fernsehen schon vor 1960 unternommen: In der von Provisorien bestimmten TV-Frühzeit marschierten Meteorologen wie Heinrich Kruhl vom Deutschen Seewetteramt einmal täglich ins Hamburger Studio und erklärten den Deutschen der Wirtschaftswunderjahre live, wie das Wetter werden würde – mit einer Schiefertafel als Wetterkarte und den beiden Puppen "Sehbastian" und "Sehbienchen". Je nach Prognose hatten die Figürchen einen Regenschirm oder ein warmes Jäckchen dabei, und wenn es Schnee gab, regnete es kleine Papierflöckchen auf sie herab. 1960 war dieses sympathische Experiment vorbei, die Vorhersage bekam ihre endgültige Form. Die Zuständigkeit wechselte zum Hessischen Rundfunk, das Wetter wanderte in die "Tagesschau" und bekam seinen nüchternen Stil. Immer wieder, berichtet Becker, gab es im Lauf der Jahre Überlegungen, frischen Wind in die Wetterpräsentation zu bringen – unter anderem als 1963 das ZDF startete und das Wetter in den "heute"-Nachrichten von Meteorologen im Studio erklären ließ.

Eine Prognose in 60 Sekunden


Leute wie Uwe Wesp, der Mann mit der Fliege, wurden regelrechte Stars. Doch in der "Tagesschau" blieb meteorologisch alles beim Alten. Beinahe zumindest. Die Technik schritt voran, die anfangs sehr simple animierte Karte wurde regelmäßig modernisiert, und der Text ist heute etwas lockerer als früher. Mancher Zuschauer dürfte sich zudem an ein Markenzeichen erinnern, das irgendwann ausgemustert wurde: eine Windrose und ein paar Pieptöne beendeten früher die Vorhersage – es war der Morsecode "QAM", der schlicht bedeutet "Wie wird das Wetter"? Knapp sechzig Sekunden reichen der "Tagesschau" für die Vorhersage. Sie beginnt mit der Europakarte mit den Luftdruckgebieten, gefolgt von Deutschland mit der Vorhersage von Niederschlägen, Wind und Temperaturen, abschließend gibt es die weiteren Aussichten.

Wer mehr wissen will, der kann sich heutzutage auf zig anderen Sendern rund um die Uhr übers Wetter informieren – detaillierter und in der Präsentation weitaus emotionaler. So ziert bei RTL im Winter schon mal ein neckischer Schneemann die Wetterkarte, und die ARD selber hat mit dem "Wetter im Ersten" eine muntere Wettershow aus der Werkstatt des Schweizer Gute-Laune-Meteorologen Jörg Kachelmann im Programm.