Die Dating-Website „imgegenteil.de“ setzt auf individuelle und liebevoll geschriebene Porträts. Nina Dias da Silva und Sven Baum kümmern sich dafür seit Kurzem um die Singles in Stuttgart.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Ein Foto; 27 Jahre alt; 1,80 Meter groß; verbringt gerne Zeit mit ihren Pferden. So unpersönlich präsentierten sich die meisten Singles auf Dating-Plattformen, sagt der Stuttgarter Sven Baum. Viel mehr Informationen bieten die meisten Dating-Apps oder Single-Plattformen über die Partnersuchenden nicht. Jahrelang hätten diese Art des Kennenlernens sehr viele sehr spannend gefunden, ergänzt seine Kollegin Nina Dias da Silva. Das ändere sich jedoch gerade. Alleinlebende wenden sich ab von der oberflächlichen Internetsuche. Das nutzen Dias da Silva und Sven Baum. Sie sind seit kurzem für die Datingplattform imgegenteil.de unterwegs und porträtieren Singles in Stuttgart – ausführlich, herzlich, immer auch ein bisschen humorvoll-ironisch – und vor allem aus ideologischen Gründen. Geld bekommen die beiden dafür nicht. Das macht ihnen aber bisher wenig aus: „Ninas Texte sind einfach wie gemacht dafür“, meint Baum. „Sie hat einen geilen Humor und kann die Leute schön beschreiben.“ Er als Fotograf ist in ihrem Zweierteam dafür zuständig, die Menschen möglichst vorteilhaft in Szene zu setzen.

 

Die Berlinerinnen sind mit imgegenteil.de in zahlreichen Städten vertreten

Die Plattform ist keine Stuttgarter Erfindung, sondern stammt – wen überrascht’s? – aus Berlin. Anni Kralisch-Pehlke und ihre Freundin Jule Müller sind die Gründerinnen von imgegenteil.de. Die besten und kreativsten Ideen entstünden aus der Kombination von persönlicher Frustration und viel Alkohol. „Wir hatten durchaus leicht einem im Tee“, erzählt Anni Kralisch-Pehlke, „da haben wir uns gefragt, was die Welt noch gebrauchen könnte.“

Fotografieren, schreiben und Internet waren die Fertigkeiten, die die beiden Frauen aus ihren bisherigen Berufen kombinieren wollten. Und Jule Müller war Single und auf der Suche. „Da kam uns nachts die Idee, für coole, hippe Leute eine Singleseite zu machen“, erzählt die 33-jährige Kralisch-Pehlke. Aus idealistischen Gründen sollte es etwas Nachhaltiges sein. „Wir wollten kein so ein Wisch-und-weg-Ding.“ Dennoch war es kein bewusster Gegenpol zu Tinder und Co. Die sind nämlich zur selben Zeit erst auf dem deutschen Markt gestartet. Tinder, Lovoo, Bumble oder Spotted – die oft unkompliziert nutzbaren Dating-Apps erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Die meisten sind nämlich kostenlos. Allerdings geht es hier meistens darum, schnell und unkompliziert jemand kennen zu lernen, die große Liebe sucht dort wohl kaum jemand.

Im Herbst 2013 ging imgegenteil.de online – mit ausführlichen Porträts über Berliner Singles, die ernsthaft auf der Suche nach der großen Liebe waren oder zumindest nach einer ehrlichen Beziehung. Anni Kralisch-Pehlke schrieb anfangs die Porträts über die Kandidaten, Jule Müller machte die Fotos. „Wir machen das mit Liebe. Die Geschichten sind sehr ausführlich und mit viel Herz geschrieben“, sagt Kralisch-Pehlke. Die Treffen finden deshalb bei den Singles zu Hause statt, das mache es persönlicher. Was sind die Stärken eines Menschen, was macht sie besonders, was haben sie für Ticks? „Aber eben keine zu privaten Details“, sagt sie.

Die Plattform kam nicht nur in der Hauptstadt gut an. Aus der ganzen Republik kamen Anfragen, so dass die zwei Berlinerinnen auch in anderen Städten für Porträts unterwegs waren – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch kaum Geld mit ihrer Plattform verdienten. Denn bezahlen müssen die Singles für ihr Profil nichts.

Rund sieben Millionen deutsche Singles sind durchschnittlich pro Monat auf Partnerbörsen unterwegs. Am meisten frequentiert sind die klassischen Partnerbörsen, in denen es um Flirts, aber auch Freundschaften geht. Marktführer war lange „friendscout.de“, gefolgt von „neu.de“ und „flirtcafe.de“; bei Online-Partnervermittlungen geht es um langfristige Beziehungen, dort hat Parship die Nase vorn, gefolgt von „edarling.de“ und „elitepartner.de“. Je nach Abo liegen die Preise für die Mitgliedschaft zwischen 15 und 75 Euro im Monat.

Das Portal punktet mit persönlichen und liebevollen Texten

Das Konzept von imgegenteil.de galt insgesamt als so innovativ, dass sie in 2014 bei den Lead Awards in der Kategorie „Online Independent“ nominiert waren. Der Erfolg des Portals kommt schlicht durch die sehr ausführlich geschriebenen Porträts, die wesentlich mehr Hintergrund zu einer Person liefern als nur das Alter und ein Foto. Anfangs war anfangs ein Alleinstellungsmerkmal in dem Wust von anonymen Dating-Apps und Partnerschaftsportalen. Einige Große in der Branche haben bereits nachgezogen und warten nun ebenfalls mit ausführlicheren Porträts ihrer Singles auf. Überhaupt – ob Tierfreund, Heavy Metal-Fan oder Schwabe (www.spaetzlesuche.de) für fast jede Zielgruppe, gibt es eine eigene Plattform.

Mittlerweile freuen sich die Gründerinnen über den Erfolg – nicht nur über den wirtschaftlichen. So richtig wichtig ist er ihnen aber nicht. „Als das erste Baby geboren wurde, das war krass“, schwärmt Anni Kralisch-Pehlke stattdessen. Rund 30 Prozent ihrer porträtierten Singles seien nun in Partnerschaften. „Da können wir uns nicht beschweren“, ergänzt sie.

Auf der Seite stehen inzwischen um die 400 Porträts von Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Längst können die Berlinerinnen das nicht mehr alles alleine machen, weshalb sie in vielen Städten mit einem schreibenden und fotografierenden Duo kooperieren – wie in Stuttgart mit Dias da Silva und Baum.

Dias da Silva ist in Berlin auf die Seite aufmerksam geworden. Als sie zurück in Stuttgart war, fiel ihr auf, dass es dort wenig Porträts gab – weil vor Ort kein Team für die Texte war. Die Stuttgarter wollen die Website hier wiederbeleben. Mit „viel Liebe, keinesfalls billig“, sagt Baum. Zwei Singles haben sie schon, eine dritte Singlefrau ist abgesprungen. „Die hat es ohne uns geschafft“, so der 32-Jährige. Natürlich sollen es mehr werden. „Die Stuttgarter brauchen halt immer eine Weile“, ergänzt Dias da Silva.