Immer mehr junge Städter leben heute alleine. Wenn es um die Liebe geht, haben wir so viele Freiheiten wie nie zuvor: Zu viel Auswahl, zu viele Möglichkeiten und ja nichts verpassen? In unserer Serie "Wie liebt Stuttgart" begeben wir uns auf Liebesspurensuche. Diesmal waren wir im Stuttgarter Hospitalhof und haben bei einem Workshop gelernt, wie man „eine(n) für immer und ewig“ findet.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Frauen haben bei der Partnerwahl ungefähr 200 Kriterien, Männer genau zwei: Sieht sie gut aus und ist sie nett zu mir? Dieser Auffassung ist zumindest der Berliner Single- und Paarberater Christian Thiel. Am vergangenen Wochenende hat er in einem ganztägigen Workshop im Stuttgarter Hospitalhof rund 50 Singles aus Stuttgart und München bei der Partnersuche geholfen. Und zwar nicht bei irgendeiner Partnersuche. Es ging ganz konkret um die Suche nach dem einen fürs Leben. Hochtrabend klang deshalb auch der Titel: „Suche einen für immer und ewig. Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt und auch mit ihm zusammenbleiben.“

 

Warum finden manche Menschen nicht den Richtigen? Zu anspruchsvoll? Zu Kompliziert? Nein. Laut dem Partnerschafts-Experten haben die meisten Langzeit-Singles genau einen Grund: Der Gedanke im Kopf „Das soll mir nicht nochmal passieren.“ 

Ähnliche Familienverhältnisse, ähnlicher Charakter

Ein altbekanntes Sprichwort sagt ja „Drum prüfe, wer sich ewig bindet.“ Viele tun das, aber laut Thiel prüfen sie die falschen Kriterien. Er ist unterhaltsam, lustig, attraktiv – falsche Kriterien. Thiel schwört bei der Partnersuche auf das Ähnlichkeitsprinzip. Je ähnlicher sich zwei Menschen sind, desto besser passen sie zusammen, und desto länger bleiben sie zusammen. Und dabei geht es nicht nur darum, dass beide eine tiefe Leidenschaft für Vivaldi hegen oder ihre Freizeit am liebsten beim Käfersammeln im Wald verbringen. Ähnliche Familienverhältnisse, ähnlicher Charakter, ähnliche Zukunftsvorstellungen.

„Der Kernbestandteil der romantischen Liebe ist leider der Glaube, nur zwei Menschen treffen aufeinander“, sagt Thiel. Das stimmt jedoch nicht: „Wir sind immer zu sechst im Bett.“ Im übertragenen Sinne natürlich. Die Eltern der Frau und des Mannes haben nämlich einen sehr großen Einfluss auf das Gelingen einer Beziehung. Alles, was jemand in seiner Herkunftsfamilie gelernt hat, bringt er in eine Beziehung mit ein. Entscheidend ist dabei vor allem das Verhältnis zwischen den Eltern, zwischen dem Kind und beiden Elternteilen aber auch die Rolle, die jemand innerhalb der Familie spielt. „In einer Partnerschaft können Sie den anderen nur verstehen, wenn er gleich denkt und tickt wie Sie.“

Will ich eine Familie?

Eine Teilnehmerin erzählt bereitwillig, dass sie ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hat. Ihr ehemaliger Partner hatte sich mit seiner Mutter auch gut verstanden. Zu gut. „Ein Muttersöhnchen“, vermutet Thiel. Die Gefahr dabei: „Die Mama ist immer wichtiger.“ Wohne ein erwachsener Mann noch bei seiner Mutter, gilt: Durchwinken. „Ziehen Sie niemals bei seinen Eltern ein.“ Diese Information hätte die Teilnehmerin vielleicht schon früher in ihrem Leben gebrauchen können.

Warum vielen Suchenden solche Fehler passieren? Die meisten lassen sich zu schnell ein, unterhalten sich anfangs nicht über die wirklich wichtigen Dinge. Der letzte Urlaub, die Lieblings-CDs – keine Themen für Dates, findet Thiel. Oder der Klassiker: „Er hat mich den ganzen Abend zum Lachen gebracht.“ Den Satz kann der Berater schon lange nicht mehr hören. „Was bringt Ihnen das?“ fragt er die Frauen in der Runde. Über Beziehungen, über die Familie, über Interessen, die das eigene Leben prägen, müsse man sprechen. Und ja auch darüber, will ich ein Kind, will ich eine Familie. „Wenn er nicht will, winken sie ihn durch“, sagt Thiel knallhart. Das gilt natürlich umgekehrt auch für Männer mit Kinderwunsch.

Seite 2: Durchwinken

Überhaupt ist Thiel kein Fan von allzu großer Toleranz. „Liebe heißt, den anderen nicht so sein zu lassen, wie er ist“, sagt er. Ja, ein bisschen streng müssten die Frauen schon sein mit den Männern. Eine Weisheit ist nämlich rund um den ganzen Globus wirklich in Stein gemeißelt: Die Frauen sorgen dafür, ob eine Partnerschaft entsteht und sie sorgen dafür, dass sie funktioniert. Die Erklärung dafür ist ganz simpel: Männer kennen sich selten gut mit ihren eigenen Gefühlen aus. „Die treffen dann basierend auf dieser Ahnungslosigkeit verheerende Entscheidungen“, sagt Deutschlands dienstältester Singleberater.

Seit 18 Jahren coacht er vor allem Frauen. Deshalb weiß er: Frauen kennen sich mit Gefühlen aus. Sie beschäftigen sich ja auch von klein auf mit nichts anderem. „Männer machen in der Zeit etwas anderes.“ Und weil die Frauen ja nun im Hintergrund alle Fäden in der Hand haben, richten sich viele Tipps des Beraters an Frauen. Raucher, täglicher Alkolholtrinker, Porschefahrer? „Durchwinken“. Beim ersten Date redet er die ganze Zeit über „mein Haus, mein Auto, meine Erfolge“? „Durchwinken.“ Er ruft nach dem ersten Date nicht an? „Durchwinken“.

Thiel schwört auf Online-Dating

Ja, auch im 21. Jahrhundert sieht Thiel dies als die Aufgabe des Mannes an. Die einzige übrigens, die ein Mann in diesem ganzen Partnerschafts-Anbahnungs-Dings wirklich aktiv tun müsse. Alles andere entscheidet ja die Frau. Manch eine Teilnehmerin kann dies nicht nachvollziehen: „Aber warum kann ich denn nicht zuerst anrufen?“ Da ist Thiel strikt, Emanzipation und Gleichberechtigung hin oder her. „Wenn ein Mann nicht einmal das schafft, was wollen Sie dann mit ihm?“ Für die Frage „was wenn ich mich nicht traue?“ erntet ein Mann nur einen abschätzigen Blick. Macht aber nichts. Der Mann fährt Porsche.

Was aber tun, wenn man erst gar nie jemand kennen lernt? Bei den meisten Teilnehmern sind die Zeiten immerwährender feucht-fröhlicher Studentenpartys schlicht lange vorbei. Vom langjährigen, besten Freund oder der besten Freundin rät Thiel ebenfalls ab. Gelegenheit ist deshalb für die meisten das entscheidende Stichwort. Da schwört Thiel ganz klar auf Online-Dating. Seriöse, kostenpflichtige Partnerbörsen empfiehlt er. Ein aussagekräftiger Text ist dabei das A und O im eigenen Profil. „Attraktive Sie sucht humorvollen Er“ scheidet als Überschrift ebenso aus wie unter Hobbies der Satz „Ich reise gerne“.

Was muss da also stehen in so einem Online-Profil? Thiel rät dazu möglichst detailliert die eigenen Stärken und Interessen herauszuheben. „Niemand verliebt sich in Ihre Schwächen“, erklärt er abschließend. Ach ja, da ist noch etwas: Die ersten vier bis fünf Dates wird nur unterhalten! Auch geküsst wird erst danach. „Nachher verlieben sie sich zu früh“, merkt Thiel an. Das geht natürlich nicht. Womöglich ruft er nach dem ersten Date nicht an. Oder wohnt noch bei Mama.