Wer aus der Elternzeit in den Beruf zurückkehrt, bringt neue Kompetenzen mit. Aber klassische Rollenbilder sind immer noch eine große Hürde.

Trotz der hohen gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für das Thema Frauenförderung werden weibliche Mitarbeiter, laut aktuellem HR-Report des Personaldienstleisters Hays, in ihrem Beruf nicht hinreichend unterstützt. 54 Prozent der Unternehmen möchten den Anteil von Frauen in Fach- und Führungspositionen steigern. Wer aus der El ternzeit in den Beruf zurückkehrt, bringt Verantwortung und Organisationsfähigkeit mit, meist aber auch mangelnde Flexibilität. Katja Kunze, Mutter zweier Kindergartenkinder, ist seit November zurück im Job. 13 Stunden in der Woche an zwei Tagen arbeitet die 36-Jährige in München. Dann sind die Mädchen jeweils bis 16 Uhr im Kindergarten. An den anderen Tagen ist die Betreuungszeit kürzer.

 

'Meine Töchter bemerken und kommentieren meine Abwesenheit. Das ist nach fünf Jahren Vollzeit-Mutterschaft für uns alle eine Umstellung', sagt die Asset-Managerin, die plant, bald einen dritten Tag in der Woche zu arbeiten. Die fünfjährige Auszeit von der Festanstellung hat Kunze nicht nur für die Kindererziehung, sondern auch für sich genutzt. Eine Ausbildung zum Cip Life and System Coach advanced schließt sie in diesem Jahr ab. Langfristig könnte das auch ein zweites oder neues berufliches Standbein für die Mittdreißigerin werden. Bei der Coaching-Akademie roots & wings academy + friends hat sie gelernt, menschliche Kommunikation besser zu analysieren und auch sich selbst zu reflektieren. 'Die Kenntnisse helfen mir im Arbeitsalltag sehr. Ich lasse mich jetzt seltener auf Streite auf der Beziehungsebene ein, wenn wir eigentlich sachlich über ein Thema reden wollten', deckt Kunze einen der Hauptfaktoren für Stress im Büro auf.

Wie Kunze nutzen viele Frauen die Auszeit

Mehr Selbstbewusstsein und Gelassenheit hat ihr die Zeit in der Akademie am Starnberger See ebenfalls gebracht. 'Die Weiterbildung hat sich angeboten, weil ich beispielsweise keinen Urlaub für die Präsenzphasen nehmen musste', sagt Kunze. Wie Kunze nutzen viele Frauen die Auszeit, um den eigenen beruflichen Werdegang zu überdenken. Mit Coachings, Seminaren und Fachliteratur können sich frische Mütter neu orientieren. Immer häufiger verändern sich die Anforderungen an einen erfüllenden Arbeitsplatz mit dem Mutterdasein. Etwa der Wunsch, mit Menschen zu arbeiten und sich weniger als ein Rädchen im großen Getriebe zu fühlen, ist für Frauen der Auslöser für eine Veränderung. Firmen sollten Rückkehrerinnen daher unbedingt ein Gespräch anbieten, in dem nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen geklärt werden, sondern auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven.

Vor etwa einem halben Jahr setzte sich Kunze mit ihrer Firma zusammen und plante ihre Rückkehr. 'Von den Chefs kam die Rückmeldung, dass mein Wiedereinstieg mit dieser Stundenzahl perfekt passen würde', berichtet die Mutter und Coach von ihrem Bilderbuchstart. Arbeitspensum und Verantwortung teilt sie sich jetzt, auch auf eigenen Wunsch, mit anderen. Sie übernimmt vor allem Aufgaben ohne Stichtag. Mit Stresspegel und Zeitdruck kommt sie gut zurecht. 'Durch meine Weiterbildung zur Coach weiß ich, was ich kann, und dass ich für diese Firma wertvoll bin', so Kunze. Laut Hays-Studie sehen 63 Prozent der 550 befragten Führungskräfte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als noch nicht realisiert an. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) geben klassische Rollenbilder als hohe Hürde an. Zudem meinen 30 Prozent, dass Führungskräfte nicht hinter einer Frauenförderung stehen.

Gender Diversity hat in Unternehmen oft eine untergeordnete Rolle

Etwa die Hälfte hält Wiedereinstiegsprogramme nach einer Auszeit für eine geeignete Maßnahme für mehr Frauen auf dem Chefsessel. 'Schaut man die Qualifikation und Abschlüsse an, müssten Frauen die besten Karten auf dem Arbeitsmarkt haben, die Realität bildet dies jedoch nicht ab. Deshalb widmeten wir die aktuelle Studie dem Thema Frauenförderung', sagt Hays-Sprecher Frank Schabel. Die Medien seien voll von der Frauenquote, dennoch hat Gender Diversity in Unternehmen oft eine untergeordnete Rolle, ergänzt Schabel. Das ist bei Andreas Nau nicht so. Er ist Chef eines Softwareentwicklungsunternehmens für Bildungsmanagement und Personalentwicklung.

Der Easysoft-Geschäftsführer empfindet es als selbstverständlich, dass seine Leute Familie und Beruf vereinen können. Bei ihm arbeiten einige Teilzeitkräfte, Männer und Frauen. Eine aus der Elternzeit in den Beruf zurückkehrende Informatikerin verstärkt seit Dezember sein Team für Softwaretests. Bei ihrem vorherigen Arbeitnehmer konnte die Ingenieurin ihren Wunsch, halbtags zu arbeiten, nicht verwirklichen. 'Wir freuen uns sehr über den Zuwachs - in doppelter Hinsicht', sagt der 48-Jährige schmunzelnd. Die neue Kollegin wird ihre Aufgaben vor allem über Telearbeit erledigen. Zeitlich ist sie völlig flexibel. Nur Teambesprechungen und Deadlines muss sie einhalten. Damit die Arbeit im Team reibungslos klappt, hilft die moderne Technik. Bei Easysoft arbeiten alle Angestellten auf einem Server. Ein Messenger macht kurze Chats möglich und den Status der Kollegen deutlich: 'Wir sehen, wer telefoniert, in einer Besprechung ist oder nicht gestört werden will', erläutert der Firmenchef.

Das erleichtert die Kommunikation untereinander und stellt Erreichbarkeit zur richtigen Zeit und an jedem Ort sicher. Eine spezielle Funktion mache es möglich, dem Kollegen aus der Ferne auf den Bildschirm zu schauen. Natürlich nur, wenn dieser es erlaubt. Dann könne man einander Sachverhalte erklären und gleichzeitig optisch verdeutlichen. Als unflexibel und problematisch betrachtet Nau Teilzeitarbeitende nicht. 'Gerade Mitarbeiter mit Familie bringen Verantwortung und gute organisatorische Fähigkeiten mit', sagt Nau. Außerdem schätzt er die Loyalität seiner Mitarbeiter und möchte diese erhalten. 'Am liebsten wäre es mir, wenn mein Personal für immer bei uns bleiben würde', sagt der Softwarespezialist. Und dass eine familienfreundliche Politik auf buchstäblich fruchtbaren Boden fällt, beweisen die Zahlen: Seine 35 Mitarbeiter haben insgesamt 47 Nachkommen, die drei Geschäftsführer ziehen zwölf Kinder groß, Nau selbst vier.