Die Renovierung des Staatstheaters ist abgeschlossen, das Ensemble kann im neuen, alten Haus spielen. Ein paar Schönheitsfehler gibt es aber trotzdem noch.

Stuttgart - Die Damen an den Eingängen zum Zuschauerraum haben gut zu tun, um die neugierigen Gäste abzuhalten. „In einer halben Stunde öffnen wir den Saal, bitte gedulden Sie sich noch ein wenig.“ Zwei Ebenen tiefer spielt eine Band, die Besucher müssen vorerst mit dem neu gestalteten Foyer des Schauspielhauses Vorlieb nehmen. Seit Freitagabend ist die Zeit des Provisoriums in der Türlenstraße vorbei und das Ensemble spielt wieder im alten, neuen Haus. Nachdem der Eröffnungstermin um ein halbes Jahr verschoben und die vor einer Woche geplante feierliche Übergabe aufgrund der Baumängel abgesagt wurde, feierte das Stuttgarter Staatstheater gestern die Wiedereröffnung der traditionellen Spielstätte mit einem großen Tag der offenen Tür.

 

„Heller, durchsichtiger, freundlicher“, so fasst Ilse Walter ihre ersten Eindrücke des neuen Eingangsbereiches zusammen. Bisher gefällt es ihr gut im renovierten Schauspielhaus. „Den Saal habe ich ja noch nicht gesehen, aber hier draußen fühle ich mich schon mal sehr wohl.“ Seit 40 Jahren seien sie und ihr Mann Hans-Günter Walter Abonnenten, erzählt das Ehepaar. Und der Umbau sei dringend nötig gewesen. Lediglich über die Komplikationen beim Bau ärgert sich Hans-Günter Walter: „Wie kann es in Zeiten des Computerwesens zu einer solchen Fehlplanung kommen?“

Wie berichtet, ist beim Umbau des Zuschauerraums einiges schief gegangen. Um Akustik und Sicht zu verbessern, ist die neue Bestuhlung steiler angelegt als vorher. Die Innenverkleidung ragt jedoch an zwei Stellen zu weit in den Raum – nun ist die Sicht in einigen der hinteren Reihen eingeschränkt. Zwei mal etwa 20 Sitzplätze sind betroffen. Außerdem ist die Bodenkonstruktion asymmetrisch, was zur Folge hat, dass in einigen mittleren Reihen die Beinfreiheit mit den vorgesehenen Stühlen eingeschränkt wäre. So geht der Charakter des Provisoriums noch nicht völlig verloren: Die Zuschauer sitzen vorerst auf den Stühlen aus der Türlenstraße.

Unter der Oberfläche ist noch vieles alt

Harald Schmidt hat zur Eröffnung mit dem geschäftsführenden Intendanten des Hauses, Marc-Oliver Hendriks gesprochen, und anschließend mit Hasko Weber, dem Schauspielintendanten. Ooooohs und Aaaaaahs gehen durch die Menge, als der Saal endlich geöffnet wird. Gefolgt von noch lauteren Oooooohs uns Aaaaaaahs, als die verbauten 850 LED-Streifen von warmem, weißlichem Licht zu blau, rot, gelb, grün und allen möglichen Farbtönen dazwischen umschalten. Ein bunter Sternenhimmel erstrahlt über den Zuschauern. „Jedes Licht ist einzeln ansteuerbar“, sagt Harald Schmidt und verwies auf den Erlebnis- und Wellnesscharakter der Anlage. „Das Pendant ist die Winzer-Sauna im Leuze.“

Von den 52 Millionen Euro, den Stadt und Land zu gleichen Teilen als Renovierungsetat für die Staatstheater zur Verfügung gestellt haben, sind noch 18 Millionen für die Oper übrig. Deren Renovierung steht als nächstes an. „So viel Geld war das gar nicht“, sagt Hendriks. „Die Oberfläche des Theaters ist nun neu.“ Doch darunter sei noch vieles alt. Unter der Oberfläche und vor allem hinter der Bühne hat das neue, moderne Haus noch seine Mängel: Die Drehbühne etwa scheint unberechenbar. „Wir haben immer Angst, dass sie abrupt stehen bleibt oder wieder ein Motor ausfällt“, sagt Hendriks. So geschehen am Samstag vor der Premiere von Sartres „Das Spiel ist aus“ – eine Inszenierung, bei der die Bühne quasi ununterbrochen rotieren soll. Zwei Stunden Probenzeit hat das gekostet. Für den Schwingboden fehlen Aufhängungen und hin und wieder kommen Durchsagen des Inspizientenpults in der Kantine an, statt in der Garderobe.

„In anderthalb Jahren ein völlig neues Theater“

Doch dem Publikum gefällt's trotzdem. „Beeindruckend“, sagt Yvonne Dürr. Auch ihr Mann freut sich über das neue Erscheinungsbild des Hauses – nur vor der Wartung der LEDs hat er etwas Angst. Alexander Dürr ist Haustechniker.

Der Berliner Architekt Klaus Roth saß gestern ebenfalls im Zuschauerraum. Über die baulichen Mängel mochte er nicht sprechen. Er sei „eigentlich sehr zufrieden“. Ursprünglich sei ein Jahr für die reine Sanierung geplant gewesen. „Jetzt haben wir in anderthalb Jahren ein völlig neues Theater gebaut.“ Eine neue Innenhülle in ein Bestandsgebäude. „Und 1960 haben die Leute auch nicht hundertprozentig symmetrisch gebaut.“ Am Ende zähle das Ergebnis.

Und mit dem ist alles in allem auch Marc-Oliver Hendriks zufrieden. „Wir sind schon sehr stolz“, sagt er zum Abschluss seines Gesprächs mit Harald Schmidt auf der Bühne. „Leidensphasen gehören dazu.“ Im Sommer wird nochmal umgebaut. Danach habe man dann hoffentlich eine Bühnentechnik für die kommenden 40 Jahre. Und diesmal wirklich.