Vor 41 Jahren hat der Stuttgarter Gitarrist Tef Fonfara mit seiner Band Tyll ein obskures Krautrock-Album aufgenommen: Sexphonie. Die Originalplatten werden für 350 Euro gehandelt – jetzt wird das Album wiederveröffentlicht.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Tef Fonfara ist, zumindest äußerlich, so etwas wie ein Rainer Langhans des Lehenviertels: lange, schlotweiße Haare, immer weiß gekleidet, immer entspannt. Einer, der weiß, was er will: Musik machen. Musik zu Geld machen? Ist nicht ganz so wichtig.

 

Umso schöner ist die Geschichte, die sich jetzt um die Band Tyll zugetragen hat, mit der Fonfara vor 41 Jahren als Gitarrist eine Schallplatte aufgenommen hat. „Sexphonie“ nannte die Band dieses Werk – „um den Verkauf ein bisschen anzufachen“, erinnert sich Fonfara. Das Problem: der Plan ging nicht auf, die Platte hat damals so gut wie niemand gekauft – unter anderem, weil es die Band Tyll eigentlich gar nicht mehr gab, als „Sexphonie“ herauskam, ergo gab es auch keine Promotour oder ähnliches. Machte alles nix, weil ein Mäzen namens Fred Kersten für sein Label Kerston Records die Aufnahme und die Pressung gönnerhaft bezahlte und es ihm auf die paar Tausend Mark nicht ankam.

„Sexphonie“ schien also vergessen. Weil das Internet und in dem Fall Sammler obskurer Schallplatten-Raritäten aber in Wirklichkeit gar nichts vergessen, wurden die Original-LPs zu einem Liebhaberobjekt, für das auch Liebhaberpreise bezahlt werden – auf dem LP-Onlinemarktplatz Discogs beispielsweise zwischen 180 und 350 Euro pro Stück. Das blieb wiederum dem auf Wiederveröffentlichungen spezialisierten katalanischen Label Guerssen Records nicht verborgen. Gesagt, getan: nach ein paar Anrufen zwecks Rechteklärung schickte Fonfara – weil die Masterbänder verschollen sind – eine der Original-LPs nach Spanien. Vor ein paar Wochen bekam er ein Paket mit neu aufgelegten „Sexphonie“-Schallplatten zurück, samt digitalisiertem Booklet und wunderbaren Liner Notes des Krautrock-Enzyklopädisten Alan Freman. Der bezeichnet "Sexphonie" in seinem Text als „Krautrock curiosity“.

Ein Hüpfer in meinem Schlüpfer

Wie Recht er hat: „Zwischen meinen Beinen liegen die Deinen / Es gab nen Hüpfer in meinem Schlüpfer“ singt Michael Scherf im titelgebenden Track, dazu wabern schwüle Gitarren über eine Tropicalia-inspirierte Rhythmusgruppe. Zwei „Düp-düüü“-Hintergrundsängerinnen (darunter Susanne Schempp, die man etwa von Honey Pie kennen könnte) wirken auch mit. So geht das die ganze liebe Platte lang, zwölf Songs mit Titel wie „Paranoia eines Verliebten“, „Delirium-Song“ oder „Suzie Steno“, den Fonfara als Parodie auf Suzi Quatro verstanden haben möchte.

Eine von Fonfara zur Sitar umgebaute Gitarre, sanft psychedelische Effekte über den deutschen Texten und der spröde Siebziger-Jahre-Sound tun ihr Übriges: ja, das ist ein unterhaltsames und in all seiner Komik gut gemachtes Stück Musik, das, heute wieder modern, die Gräben zwischen Pop, Schlager, Rock und Psychedelic zuschüttet.

Warum Krautrock-Platten so teuer sind

Sammlerpreise im mittleren dreistelligen Eurobereich würde man bei solchen Platten auf den ersten Blick vielleicht nicht erwarten. Beim Stuttgarter Plattenladen Second Hand Records wundert sich darüber allerdings niemand. „Krautrock ist wirklich ein Sammelgebiet, und außerdem gar nicht so groß“, sagt Rainer Rupp von Second Hand Records. „Die meisten Platten hatten keine großen Auflagen, viele Bands im englischsprachigen Raum nennen Krautrock-Gruppen als ihre Vorbilder und viele US-Sammler finden die Platten auch interessant. Deshalb sind die Preise so nach oben gegangen.“

Das sei übrigens schon seit Jahren so. Rupp erinnert sich an ein Album der Band Siddhartha, das sein Bruder nach einem Gig signieren ließ. Schon in den Achtzigerjahren wurden für solche Sammlerstücke um die 500 Mark geboten, berichtet Rupp. Das gilt natürlich nur für die Originale. „Vielen Leuten geht es eher um die Musik. Die freuen sich dann über Wiederveröffentlichungen, die weniger als zwanzig Euro kosten.“ Neben Guerssen Records, wo „Sexphonie“ neu erschienen ist, bringt etwa das Label Bureau B in schöner Regelmäßigkeit Platten aus dieser Zeit neu heraus.

Fonfara, der Tausendsassa

„Als das Label wegen der Wiederveröffentlichung anrief, habe ich das erst für einen Witz gehalten“, sagt Tef Fonfara. Seit den Aufnahmen mit Tyll hat er unter anderem NDW-Platten gemacht, im US-Fernsehen performt, die SDR-Serie „Frau Kächele“ produziert, landete 1994 mit einem Techno-Song in den Charts und hat kürzlich mit seiner Band Asian Stars esoterisch angehauchten Ethno-Ambient im Café Galao aufgeführt.

Letztlich, sagt Fonfara, sei "Sexphonie" eigentlich auch ein Witz gewesen – oder bestenfalls ein Album, auf dem die Musiker zeigen wollten, was sie können. „Den 11/8-Takt haben wir nur gemacht, weil wir es konnten, und die fünf Gitarrenspuren übereinanderzulegen waren damals das Geilste.“

Man kann sich dieses einigermaßen kuriose, in jedem Fall unterhaltsame Album zur Gänze im Internet anhören, auch wenn sich der LP- oder CD-Kauf schon wegen des beigefügten Booklets in hübschester Siebziger-Optik lohnt, in dem unter anderem vermerkt ist, dass die LP unter anderem „Papst Paul dem Transvestiten“, nicht aber „OB Rommel“ gewidmet sei. Der Gönner Fred Kersten bemerkte damals bloß, es sei „halt kein Discohit“ drauf. Stimmt. Macht aus heutiger Sicht aber gar nix.


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