Auf großes Interesse stieß die Führung des Wildbienen-Experten Hans Schwenninger im Feuerbachtal bei Zazenhausen. Den Teilnehmern offenbarten sich Schicksale und Schönheiten – darunter auch die Wildbiene des Jahres.

Zazenhausen - Ganz schön flott, diese Bienen! 30 Stundenkilometer sind kein Problem. Und auch wenn sie unterm Radar unserer gewöhnlichen Wahrnehmung fliegen, machen sie bei näherer Betrachtung doch hübsch was her. Manchmal tragen sie rote Hosen, nicht selten feinen Pelz. Und welche Abwechslung im Dessin des Outfits! Rot und Rosé, Gelb und Schwarz und Grau in apartem Kontrast und in allen Nuancen, wobei die sehr schlanken wie auch die gedrungeneren Bodys die grundsätzlich horizontale Ausrichtung der Muster locker vertragen. Und welcher Zauber liegt erst in der hauchzarten Transparenz der darüber getragenen Flügelchen, in der zerbrechlichen Fragilität der Beinchen. Ginge es um Germanys next Topmodel, der Bewerberpulk müsste zweifelsfrei als solcher aufs oberste Podest gehoben werden. Lauter flotte Bienen!

 

Wildbienen eben, womit der biologische Teil des Phänomens auch schon geklärt wäre. Wie auch der Befund, dass von den einst mehr als 500 Arten inzwischen viele ganz untergegangen und manche akut bedroht sind. In den geschützten Bereichen des Feuerbachtals bei Zazenhausen aber finden Wildbienen doch noch gedeihliche Existenzbedingungen. Sich auf deren Spuren zu begeben, dazu hatten nun der Arbeitskreis Biotopverbund und der Bürgerverein Zazenhausen eingeladen, was die erstaunliche Zahl von 60 Interessierten anzog. Nicht zuletzt hoffte die Gruppe, dabei auch die Knautien-Sandbiene zu sehen, die aktuelle Wildbiene des Jahres.

Der ausgefahrene Stachel deutet auf einen Krampf

Sagenhaft spannend und erhellend wurde diese zweieinhalbstündige Exkursion durch die Erläuterungen von Hans Schwenninger, eine ausgewiesene Koryphäe in Sachen Wildbienen. Schon eingangs macht er klar, dass es hier nicht um einen Spleen, sondern um eine höchst ernste Sache geht: „Eine wissenschaftliche Untersuchung auf 30 Streuobstwiesen hat gezeigt, dass auf manchen sogar mehr Wild- als Honigbienen die Bestäubung bewerkstelligen.“ Die kalte Dusche aber folgt auf dem Fuße, als er eine eben im Todeskampf erloschene Hummel findet: „Der ausgefahrene Stachel deutet auf einen Krampf, vermutlich durch neue, mit minimalster Dosis tödlich wirkende Neonikotinoide ausgelöst“, erklärt der Diplom-Biologe. Ein Vorfall, auf den Schwenninger mehrfach zurückkommt, was sich in einer düsteren Feststellung ballt: „Ich war kürzlich auf der Alb und habe keine einzige Hummel gefunden. Möglicherweise ist der ökologische Puffer aufgebraucht und unser Zustand ist vergleichbar mit der Vermüllung und Überfischung der Meere. Tut mir leid, dass ich nichts anderes sagen kann.“

Mehr noch aber gibt er dem Faszinosum Wildbiene Futter. Zack! Schon hatte er mit seinem Käscher eine Spargelsandbiene erhascht, die im Bestimmungswürfel zu besichtigen ist, dann frei gelassen wird. Am Ziest fängt er eine Grubenhummel, an der Zaunrübe eine Sandbiene. An einem gepflegten Trockenmäuerchen wird deutlich, dass es nicht nur für Echsen taugt, sondern auch ein Paradies für Wildbienen ist. Denn dahinter bohren sie die Röhren, in denen sie die Brut ablegen. Die Mörtelbiene markiert ihr Revier per Duft-Bouquette – und dann ist gar live zu sehen, wie die taffe Mörtelbiene eine Wiesenhummel, die mit ihren Beinbürsten ein bisschen Blütenstaub stibitzen will, attackiert und vertreibt: „Safari im Biotop!“, jubelt Schwenninger.

Unordnung im Garten ist eine Wohltat für die Artenvielfalt

Voll des Lobes ist er für einen überwucherten Schrebergartenzaun: „Blühinseln und kontrollierte Unordnung im Garten sind eine Wohltat für die Artenvielfalt.“ An einer Blatterbsenblüte zeigt er eine Holzbiene, sogar eine Steinhummel-Königin geht ihm ins Netz. Und dann, fast zum Schluss, ist es doch noch soweit: Flauschig, zartlila Knautien locken die Sandbiene, die nur auf diese Witwenblume steht. Die haarigen Hinterbeinchen, an denen die Pollenkörner per elektrostatischer Anziehung anhaften, wachsen sich schon ein wenig zu „Sammeltaschen“ aus: eine flotte Biene mit rosa Shorts. Zack!, hat Schwenninger die Kleine im Netz. Ein wenig muss sie jetzt im transparenten Würfelchen schwitzen. Ein Tor, wer sich diesen Anblick entgehen ließe. Dieses Rostrot im Streifenmuster, dieser erlesene Geschmack im Spiel von Schwarz und Grau! Keine Frage, das Werk eines Top-Designers. Extra geschaffen für das Top-Model des Jahres, die Knautien-Sandbiene aus dem Tal am Feuerbach.

HINTERGRUND
: Als Wildbienen bezeichnet man alle Bienenarten der Überfamilie Apoidea, mit Ausnahme der Honigbienen. Wildlebende Urformen oder verwilderte Stämme der Honigbiene sind also in biologischer Hinsicht keine Wildbienen, von denen in Deutschland mehr als 500 Arten dokumentiert sind. Viele Arten wurden aber schon ausgerottet, und die Zahl sinkt weiter. Einige Arten sind inzwischen so weit geschrumpft, dass sie auf die Rote Liste bedrohter und besonders schützendeswerter Tierarten gesetzt wurden. Bedroht sind die Tierarten aus zweierlei Gründen: Zum einen wird ihr Lebensraum immer weiter beschnitten. Dazu zählen auch „klinisch reine“ Rasenflächen, die den Tieren keinerlei Blütennahrung bieten. Zum anderen machen der Gattung in der Landwirtschaft eingesetzte Pestizide das Leben schwer. Dabei hat die Biologie die vergangenen Jahre deutlich herausgearbeitet, dass die Wildbiene nicht nur zur Bestäubung von Wildpflanzen wichtig ist, sondern auch viel mehr als lange vermutet, zur Befruchtung von Kulturpflanzen beiträgt. Eine Situation, in der Landschaftsschutzgebiete und extensiv bewirtschaftete Streuobstwiesen mit ganzjährigem, artenreichen Blühangebot wie sie das Feuerbachtal zwischen Zazenhausen und Mühlhausen bietet, von eminenter Bedeutung sind. Hilfreich ist auch, wenn Landwirte über Förderprogramme an Ackerrändern nicht bewirtschaftete Streifen zur Verfügung stellen. Auch dafür gibt es im Gebiet Beispiele. Überlebenswichtig für die Wildbienen ist die Pflege von Biotopen, wie sie der Biotopverbund vornimmt: Für Habitate, die der Artenvielfalt dienen.