Tiere erobern urbane Lebensräume und siedeln sich in der Stadt an. In der Serie widmen wir uns diesmal dem Thema Wildwechsel.

Stuttgarter Norden - Von April 2014 bis März 2015, dem vergangenen Jagdjahr, wurden nach der Statistik des Deutschen Jagdverbandes (DJV) bundesweit rund 212 000 Wildunfälle gezählt. In Baden-Württemberg kamen in dieser Saison etwa 26 000 Wildtiere unter die Räder. Nicht nur im Herbst und Frühjahr, auch im Sommer ist für die Autofahrer Vorsicht geboten: Erst kürzlich wurde der Weilimdorfer Jäger Jens Felix Rygol zu einem Wildunfall auf der B 295 bei Weilimdorf nahe der Brücke Köstlinstraße gerufen. Eine junge Füchsin lag nach einer Kollision mit einem Fahrzeug tot am Fahrbahnrand. Auf der anderen Seite sei unlängst ein Wildschwein überfahren worden.

 

Sobald ein Wildunfall passiert, wird der Jäger angerufen

Rygol hat zusammen mit seinem Jagdkollegen Klaus Meissner den Jagdbogen 5 (Weilimdorf) der Stadtjagd Stuttgart gepachtet. Sobald auf den Straßen dieser rund 348 Hektar großen Pacht ein Wildunfall passiert, werden entweder Rygol oder Meissner von der Polizei oder dem Ordnungsamt über Unfallort und Hergang informiert. Zu den Aufgaben der Jäger gehört auch, sich um die verunglückten Tiere zu kümmern: „Einer von uns fährt, wenn es möglich ist, sofort zum Unfallort. Falls ein Tier schwer verletzt ist, müssen wir es von seinen Leiden erlösen“, erklärt Rygol. Im vergangenen Jahr wurde auf der B 295 mitten im Berufsverkehr ein Wildschwein angefahren: Es lebte noch. Die Polizei musste die Straße für den Verkehr komplett absperren, bevor einer der beiden Jäger dem schwer verletzten Wildschwein den Fangschuss gab.

Wer ein überfahrenes Tier einfach ins Auto packt und zu Hause zu einem Braten verarbeitet, begeht übrigens eine Straftat: „Das ist Wilderei“, sagt Jagdpächter Rygol. Außerdem sei es auch gesundheitlich riskant: „Wildschweine sind zum Beispiel Allesfresser. Deshalb muss deren Fleisch stets auf Trichinen untersucht werden.“ Im Straßenverkehr getötete Tiere dürfen grundsätzlich nicht weiterverarbeitet werden. „Das Inverkehrbringen“, so Rygol, „ist nicht gestattet.“

Ein Wildschwein kann in der Nacht bis zu 40 Kilometer zurücklegen

Zum Revier des Stadtjägers gehört unter anderem die Bergheimer Steige. Auch dort kommt es regelmäßig zu Wildunfällen. Etwa in Höhe des Ortsschildes und der Gaststätte Muckenstüble habe er unlängst eine tote Wildsau aufgefunden. Zu seinen Aufgaben gehört, sich um die Beseitigung des Kadavers zu kümmern. „Das verunglückte Tier wird von uns vergraben oder wir geben es bei einer entsprechenden Tierkörperbeseitigungsstelle ab.“ Alles ist reglementiert, sogar wie tief das Erdloch sein muss, in dem das Wildtier seine letzte Ruhe findet. Zu etwa 20 Wildunfällen pro Jahr wird der Jäger aus Weilimdorf gerufen. Das Risiko eines Wildunfalles ist vor allem im Herbst besonders groß. „Ein Wildschwein kann bei der Nahrungssuche in einer Nacht bis zu 40 Kilometer zurücklegen“, sagt Rygol. Und dabei auch viele Straßen überqueren. Autofahrer fürchten die Schrecksekunde, in der plötzlich ein Tier auf die Straße springt. Nicht immer bleibt es beim kaputten Kühler oder kleineren Blechschäden: „Gravierend wird es, wenn Personen zu Schaden kommen und größere Schäden am Fahrzeug entstehen“, sagt Rygol.

Doch was kann man tun, um die Kollision mit einem Wildschwein oder einem Reh zu vermeiden? „Viele Autofahrer reagieren nicht auf entsprechende Verkehrszeichen“, sagt Rygol. Wenn ein Wildwechsel ausgeschildert sei, sollte der Autofahrer die Geschwindigkeit entsprechend reduzieren und seine Fahrweise daran anpassen. „Läuft ein Wildtier über die Straße, kommen oft weitere hinterher“, warnt der 42-jährige Jäger. Ein erwachsenes Reh habe oft zwei Kitze dabei, ähnlich sehe es beim Schwarzwild aus: „Man sollte dann entsprechend fahren, notfalls anhalten, die Tiere die Straße passieren lassen und das Warnblinklicht einschalten.“ Eine weitere Faustregel sei, das Fernlicht wenn möglich abzuschalten. Wildtiere sind sehr lichtempfindlich. „Sobald man am Straßenrand reflektierende Augenpaare sieht, sollte man runter vom Gas gehen“, rät Rygol. Steht ein Tier auf der Straße, sollte sich der Autofahrer bemerkbar machen und hupen: Das Geräusch verjage das Tier normalerweise. Bei einem drohenden Zusammenstoß sollte der Autofahrer bremsen, das Lenkrad festhalten und nicht ausweichen. Ein Aufprall bei geringer Geschwindigkeit ist grundsätzlich sicherer als ein riskantes Ausweichmanöver. Ist ein Wildunfall unvermeidbar, muss der betroffene Fahrer die Unfallstelle umgehend absichern und die Polizei alarmieren.