Zum letzten Mal vor dem Umbau des Stuttgarter Wilhelmspalais, in dem künftig das Stadtmuseum zu finden sein wird, ist am Wochenende ausgelassen gefeiert worden. Aktivisten und Besucher erinnern sich wehmütig an die Höhepunkte der Interims-Kultureinrichtung.

Stuttgart - So richtig los ging es erst um 22 Uhr am Samstagabend. Da strömten die jungen Besucher ins Wilhelmspalais und tanzten zu den Elektrobeats von „Annagemina“ in die Nacht hinein. Feiern, als gäbe es kein Morgen. Was auf das Wilhelmspalais auch zutrifft, denn am Wochenende ging die 15 Monate währende Zwischennutzung zu Ende. Zu dieser letzten großen Sause mit dem Namen „48 Stunden Willys Kunstshow“ hatten die Veranstalter, die Betreiber der Wagenhallen Thorsten Gutbrod und Stefan Mellmann, noch einmal alles aufgefahren, was die Wände der ehemaligen Stadtbücherei in den vergangenen anderthalb Jahren erlebt haben. Von 12 Uhr an gab es am Freitag und am Samstag Ausstellungen, Live-Peformances, Tanz, einen Kurzfilm und natürlich Bands und Musik.

 

Am Anfang wurde vieles einfach improvisiert

„So einem Ort Leben einzuhauchen, ist etwas ganz Besonderes“, sagt Thorsten Gutbrod. Am Anfang hätten Mellmann und er nicht gewusst, was auf sie zukommt, und vieles einfach improvisiert. Als beispielsweise nach einem halben Jahr die Homepage immer noch nicht online war, schrieben die beiden das Programm mit Kreidestiften auf die Glasfassaden.

Möglich wurde die Zwischennutzung, weil sich der Architektenwettbewerb für den Umbau zum Stadtmuseum um zwei Jahre verzögert hatte. Jetzt, wo die Zwischennutzung vorbei ist, mache sich aber schon Melancholie breit, sagt Gutbrod. Auf seine persönlichen Highlights angesprochen, kommt er aus dem Aufzählen gar nicht mehr heraus: das Saxofonfestival, „Poetry & Party“, die Musikperformance „Die drei Tode des Narziss“ von der Musikhochschule und natürlich vor allem das berüchtigte „Live auf der Treppe“.

Veranstaltungsreihe hat viele Besucher angelockt

Die Veranstaltungsreihe, bei der die Besucher auf der Treppe des Palais sitzend jede Woche einem anderen Sänger oder Songwriter lauschten, entwickelte sich schnell zum Publikumsmagneten. „Wir möchten dem König danken, dass er die Treppe zur Sonne hin ausgerichtet hat“, sagt Mellmann. Die Werbetrommel rührten die Besucher zum Großteil selbst: „Werbung funktioniert in der Subkultur über soziale Netzwerke“, sagt Gutbrod.

Die Zwischennutzung des Gebäudes ist ein gewinn gewesen

Einer der ersten, die vor der Treppe gespielt haben, ist Max François. Und auch an diesem letzten Abend trat er auf – wegen der Gefahr von Regenschauern aber drinnen. „Ich habe als Jugendlicher hier früher meine Bücher ausgeliehen“, sagt der gebürtige Stuttgarter. Er findet, dass die Zwischennutzung für alle Künstler „ein großer Gewinn“ war. Hier hat François einen Kollegen kennen gelernt, mit dem er ein Netzwerk für Sänger und Songwriter aus Stuttgart gegründet hat: „Die Szene hat Entwicklungsbedarf. Wir wissen gerade wirklich nicht wohin.“

Und so gab es an diesem Abend viele, die den Verlust dieser Einrichtung für Subkultur mitten in der Stadt bedauerten. Zum Stadtmuseum, das Ende 2016 hier einziehen soll, wollte sich kaum ein Künstler äußern. Stadtmuseum? Wer brauche schon ein Stadtmuseum? Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) war klar, „dass der Abschied schwer fällt“. Sie versprach, Räume zu suchen, „wo man einfach kunterbunt Programm mischen“ könne: „Stuttgart braucht so etwas.“

Der „Music Award Region Stuttgart“ ging ans Wilhelmspalais

Die zukünftige Leiterin des Stadtmuseums Anja Dauschek bekam dann doch Applaus, als sie ankündigte, dass es im Foyer Veranstaltungen geben solle, „wo es auch mal rocken kann“. Und vielleicht könne man ja auch in Zukunft noch ein Bier auf der Treppe trinken. Sollte aus diesen Plänen nichts werden, haben Mellmann und Gutbrod vorgesorgt und dem Museum ein Exponat gespendet. Sie überreichten Dauschek ihren „Music Award Region Stuttgart“, den das Wilhelmspalais in diesem Jahr als beste Live-Location gewonnen hatte: „Damit sich die nächsten Generationen daran erinnern, dass hier auch einmal Rock ’n’ Roll stattgefunden hat.“