Um die Zukunft des Windkraft-Pioniers Prokon ist ein spannendes Rennen entbrannt. Anfang Juli sollen die Gläubiger entscheiden, ob Prokon an die EnBW verkauft wird. Der Energiekonzern hat größtes Interesse.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Ulm - Alfred Seizl hält einen dicken Packen Papier hoch: „Das sind die Unterlagen, die uns der Insolvenzverwalter geschickt hat.“ Seizl und seine Frau gehören zu den rund 75 000 Genussrechteinhabern des insolventen Windkraftunternehmens Prokon. Gut 70 von ihnen – vorwiegend ältere Damen und Herren – sind am Mittwochnachmittag ins Ulmer Stadthaus gekommen, um sich über das Kaufangebot der EnBW für Prokon zu informieren. Viele von ihnen tragen blaue Sticker mit dem Windradlogo des Itzehoer Unternehmens, das vor rund eineinhalb Jahren in die Pleite gerutscht war. 21 000 Euro haben die Seizls seit 2007 in Prokon investiert – insgesamt flossen dem Windkraft-Pionier mehr als 1,4 Milliarden Euro zu.

 

Dass der Insolvenzverwalter Akten mit mehr als 270 eng bedruckten Seiten verschickt, hängt damit zusammen, dass den Gläubigern neben dem Verkauf eine zweite Möglichkeit zur Wahl steht: Die Umwandlung von Prokon in eine Genossenschaft. Von diesem Modell hält die EnBW, die 550 Millionen Euro für die Windkraftaktivitäten von Prokon bietet, naturgemäß nicht viel. Denn für die Karlsruher wäre der Kauf eine gute Gelegenheit, ihre ehrgeizigen Windkraft-Ausbauziele schneller zu erreichen. Aktuell verfügt die EnBW an Land über Windparks mit knapp 200 Megawatt, bis 2020 sollen es 2000 Megawatt werden. Mit den Prokon-Anlagen kämen auf einen Schlag 537 Megawatt hinzu.

Schon seit einigen Wochen werben die Karlsruher daher um die Zustimmung der Prokon-Gläubiger zu einem Verkauf – per Zeitungsanzeige mit dem Konterfei des Vorstandschefs Frank Mastiaux, auf einer eigens eingerichteten Internetseite und auf Veranstaltungen wie der in Ulm – bei der allerdings kein Vorstandsmitglied zugegen ist. „Wir wollen ihnen nur unsere Hilfe bei der Entscheidung anbieten – aber entscheiden müssen Sie selbst“, sagt Dirk Güsewell, der bei der EnBW unter anderem für den Ausbau erneuerbarer Energien zuständig ist. Mit deutlich schärferen Worten hatte sich vor gut zwei Wochen der EnBW-Finanzvorstand Thomas Kusterer gegen eine Prokon-Genossenschaft ausgesprochen und vor dessen Risiken gewarnt.

Gläubigerversammlung entscheidet am 2. Juli

Im Genossenschaftsmodell, für das unter anderem der Verein „Die Freunde von Prokon“ oder die GLS-Bank werben, würden Anleger, die das wünschen, Genossenschaftsanteile im Wert von rund einem Viertel ihrer Investitionssumme erhalten. Gut ein Drittel der Einlage soll in eine Anleihe verwandelt werden, die bis 2030 läuft und mit 3,5 Prozent verzinst werden soll. Im Idealfall könnten die Anleger so knapp 59 Prozent ihrer Einlagen zurückerhalten. Die Prokon-Freunde haben für diesen Donnerstag ebenfalls zu einer Informationsveranstaltung in Ulm eingeladen.

Doch die EnBW sät massive Zweifel an der Tragfähigkeit dieses Modell. „Alleine Zins und Tilgung würden Prokon jedes Jahr einen großen Teil, wahrscheinlich mehr als 80 Prozent der erwarteten operativen Liquidität kosten“, meint Kusterer. Ähnlich äußert sich Güsewell in Ulm, der dazu lange, kleingedruckte Zahlenreihen an die Wand wirft und unter Berufung auf den Insolvenzverwalter vor einem drohenden „negativen Free Cash Flow“ warnt. Er verweist zudem auf kritische Einschätzungen von Aktionärsschützern, Verbraucherschützern oder der Stiftung Warentest zum Genossenschaftsmodell.

Auf das Gegenmodell der EnBW verwendet Güsewell deutlich weniger Redezeit. Wenn sie das EnBW-Angebot annehmen, können die Anleger damit rechnen, dass sie mit 52,2 Prozent etwas mehr als die Hälfte ihre Geldes wiederbekommen. Wie im Genossenschaftsmodell auch, hängt die tatsächlich erreichbare Quote davon ab, ob der Verkauf der übrigen Prokon-Geschäfte – darunter Beteiligungen an Wäldern und einem Holzverarbeiter – so viel bringt, wie vom Insolvenzverwalter veranschlagt. „In unserem Angebot ist die Rückzahlung für die Genussrechteinhaber schnell, sicher und fair“, sagt Güsewell. „Von einem fairen Angebot würde ich nicht sprechen“, wendet ein Zuhörer ein: Er schlägt vor, dass die EnBW neben einer Barzahlung an die Prokon-Anleger Besserungscheine ausgibt, mit denen diese an künftigen Gewinnen aus dem Betrieb der Windparks beteiligt werden könnten. „Unser Preis ist fair und sachgerecht“, antwortet Güsewell. Eine Nachbesserung des Angebots sei auf Basis der Bewertung nicht möglich – ungeachtet der Tatsache, dass das Genossenschaftsmodell Prokon rund 100 Millionen Euro höher bewertet.

Das Ehepaar Seizl hält das EnBW-Angebot dennoch für besser. Nicht nur, weil sie so schneller an einen Teil ihres Geldes kommen, sondern auch „um die Energiewende voranzubringen“. Alfred Seizl hat auch Zweifel, „ob eine Genossenschaft so professionell geführt wird wie ein Energiekonzern“. Ein anderer Zuhörer ärgert sich zwar über die seiner Meinung nach zu niedrige Quote, die die EnBW bietet, plädiert aber trotzdem für deren Modell. „Die meisten von uns sind im Rentenalter. Wer da noch 15 Jahre auf sein Geld warten muss, hat nicht mehr viel davon.“ Wie es mit Prokon weitergeht, entscheidet am 2. Juli eine Gläubigerversammlung in Hamburg.