Die Region Stuttgart hat vorerst deutlich mehr Standorte ausgewiesen als andere Gebiete im Land – trotz der dichten Besiedelung und des nur mittelmäßig blasenden Windes. Am Bodensee wurden dagegen alle landschaftlichen Highlights gesperrt für Windräder.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Knapp ein Prozent der Fläche der Region Stuttgart, exakt 3540 Hektar, könnte eines Tages mit Windrädern bebaut werden – so sieht es der derzeitige Entwurf des Regionalverbandes vor. Noch 85 Standorte stehen auf der Liste; der Landkreis Göppingen (24 Standorte mit 1500 Hektar) und der Rems-Murr-Kreis (29 Standorte mit 1200 Hektar) haben dabei die Hauptlast zu tragen. Von einer weiteren Reduzierung der Standorte ist aber wegen der Einsprüche von Flugsicherung und Wetterdienst auszugehen. Bis zum Jahresende will Thomas Kiwitt, der Planungsdirektor des Verbandes Region Stuttgart (VRS), zumindest eine „feste Position“ haben, so dass manche Investoren loslegen können. Der offizielle Abschluss des Verfahrens wird länger auf sich warten lassen – begonnen wurde es vor zwei Jahren.

 

Andere Regionen in Baden-Württemberg sind deutlich weiter, und der Vergleich mit ihnen führt zu interessanten Erkenntnissen. So zeigt sich, dass es kein einheitliches Vorgehen beim Ausweisen der Standorte für Windkraftanlagen gibt. Der VRS hat sich das Ziel gesetzt, die maximale Zahl von Standorten auszuweisen. Man will damit erstens verhindern, dass in zehn Jahren erneut geplant werden muss. Und zweitens hat man die Kommunen gleich einbezogen, so dass diese wohl keine eigenen Standorte mehr ausweisen, was mit dem Landesgesetz durchaus vereinbar wäre.

Nur 50 Windräder in ganz Oberschwaben und am Bodensee

Die Region Bodensee-Oberschwaben ist einen anderen Weg gegangen. Dort hat man auf den offiziellen Windkarten geschaut, welchen Anteil die Region am landesweiten Windkraftpotenzial hat und ist auf 2,5 Prozent gekommen – diesen „substanziellen“ Beitrag will man nun leisten und hat exakt acht Standorte für bis zu 50 Windräder ausgewiesen. Froh ist man dort, wie es im Satzungsbeschluss bereits vom April 2013 heißt, dass dies theoretisch sogar fünf Prozent seien. Vor allem freut man sich, dass man die sensiblen Landschaften um Donau, Allgäu und Bodensee komplett aussparen konnte.

In der Region Stuttgart wird dagegen auch der Albtrauf als herausragende Landschaftsmarke nicht verschont. In der Bodensee-Region wurden übrigens für alle potenziellen Standorte Fotomontagen angefertigt, um einen Eindruck von der Wirkung der Windräder zu erhalten. Das gibt es in Stuttgart nicht .

Ostwürttemberg als eine recht windreiche Region ist ebenfalls längst fertig mit dem Verfahren. Dort hat man 20 Standorte im Regionalplan verankert, die allerdings teilweise riesig sind – unterm Strich sind 3200 Hektar für Windräder reserviert. Die Region Heilbronn-Franken, das mit Abstand windstärkste Gebiet im Land, setzte vor wenigen Tagen einen Schlusspunkt unter ihr Prozedere: 26 Vorranggebiete mit 1370 Hektar wurden fixiert. Allerdings: In allen Regionen außer der Stuttgarter können Kommunen zusätzliche Flächen ausweisen. In der Region Bodensee-Oberschwaben rechnet man aber nur mit bis zu 20 solcher kommunalen Anlagen. In Heilbronn-Franken könnten 3500 bis 6500 Hektar hinzukommen, so Verbandsdirektor Klaus Mandel.

FDP-Regionalfraktion kritisiert das Stuttgarter Verfahren

Wie auch immer: Es gibt mittlerweile Stimmen, die sagen, dass der VRS sich völlig ohne Not zum Musterknaben in Sachen Windkraft aufgeschwungen hat. Kai Buschmann, der Fraktionschef der FDP im Regionalparlament, betont dies ganz offen: Die Region Stuttgart sei ein hochverdichteter Raum, was in der Planung berücksichtigt werden müsse. Er kritisiert das Land, das keinerlei Vorgaben gemacht habe, wie die Anlagen auf die Regionen verteilt werden sollen, so dass jede Region ihr eigenes Süppchen koche. Und er kritisiert den VRS, der der Diskussion, wie viele Windräder die Region vertrage, ausweiche.

Einen Antrag der FDP, einen Vergleich der Regionen vorzulegen, hat der VRS vor wenigen Wochen deshalb mit vielen Worten, aber ohne Zahlen beantwortet. Das sei nicht möglich, weil jede Region unterschiedlich sei und viele Pläne nicht fertig seien. Die Region Bodensee-Oberschwaben hatte nicht so viele Skrupel: Laut einer Verbandsliste liegt Stuttgart beim Potenzial auf dem sechsten Platz der zwölf Regionen. Und auch das Land gibt regelmäßig Listen heraus – eine letzte Abfrage bei den Regionen ist zum 30. Juni erfolgt.

Der Ausbau der Windkraft kommt nur schwer in Gang

Allerdings ist es ein Jahre währender Weg vom Verfahren bis zum Bau – 2013 waren deshalb erst 13 Anlagen in Betrieb gegangen. Der VRS versucht deshalb, einige Standorte vorab zu genehmigen. Für die 22 Anlagen bei Lauterstein im Landkreis Göppingen – der größte aller Standorte in der Region – ist dies vor Kurzem geschehen.

Am Mindestabstand eines Rades von 700 Meter zur nächsten Wohnbebauung wird sich in Baden-Württemberg übrigens nichts ändern. Bayern hatte in den Bundesrat den Vorschlag eingebracht, dass jedes Land selbst entscheiden solle und plante, die zehnfache Höhe eines Windrades, also bis zu 2000 Meter, anzusetzen. „Von einer solchen Regelung wollen wir keinen Gebrauch machen“, sagte Frank Lorho, der Sprecher des Umweltministeriums: „Unsere Vorschriften lassen genug Spielraum.“ Sprich: Es bleibt in der Regel bei 700 Meter.