Bürger haben gegen neue Windräder in der Region fast 3000 Einwendungen erhoben. Sie beziehen sich aber nur auf wenige der geplanten Standorte. Die Landratsämter haben aus Gründen des Landschaftsschutz bereits zehn der ursprünglich 96 Gebiete gestrichen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Fast hundert Standorte mit bis zu 500 Windrädern hat der Verband Region Stuttgart (VRS) im vergangenen Sommer vorgeschlagen – wie sich jetzt zeigt, ist ein großer Teil dieser Standorte bei Bürgern, Kommunen und Landratsämtern unumstritten. Zehn Gebiete werden aber definitiv wegfallen. Das ist das Fazit der Stellungnahmen, die der VRS derzeit auswertet. Bis Ende November hatten sich die Bürger zu Wort melden können, bis zum Jahresende waren Hunderte von Behörden, Verbänden und Institutionen gehört worden. Phase eins der Ausweisung neuer Standorte ist damit beendet.

 

Annähernd 3000 Bürger hatten Einsprüche erhoben, drei „Widerstandsnester“ hatten sich herauskristallisiert. Rund 2000 Ablehnungen kamen allein aus dem Remstal rund um Korb und Remshalden (Rems-Murr-Kreis); dort hat sich schon eine Bürgerinitiative namens „Schützt die Buocher Höhe“ gegründet. Was die Sache dort besonders brisant macht, ist die Tatsache, dass zumindest einige Gemeinden selbst für die Windräder sind. 550 Einwendungen hatten Bürger von Wernau (Kreis Esslingen) gemacht; dort lehnt aber auch die Kommune den Standort im Waldgebiet Rotenhau ab. Rund 250 Einsprüche erhoben die Bürger von einigen Gemeinden im Schurwald (Kreis Esslingen), wo es um drei Windkraftstandorte geht.

Thomas Kiwitt,  der  Technische  Direktor des VRS, will die Zahl der Einsprüche nicht kleinreden – aber angesichts der gesamten Bevölkerung in der Region sei dies ein recht geringer Prozentsatz. Umgekehrt habe es gegen 80 der 96 Standorte überhaupt keine Widersprüche gegeben, zumindest nicht von Bürgern. Von Verbänden allerdings schon: so lehnt der Landesnaturschutzverband Göppingen 22 der insgesamt 29 ausgewiesenen Standorte im Landkreis ab.

Was Kiwitt besonders interessant findet, ist dies: gerade dort, wo es schon Windräder gebe, sei die Akzeptanz bei den Menschen besonders hoch. So höre man aus der Gegend um Geislingen gar keinen Widerspruch: „Die Leute wissen schon, was auf sie zukommt“, erklärt sich Kiwitt diese Haltung. In Lauterstein (Kreis Göppingen) hat sich der Bremer Investor WPD bereits ein Areal für 23 Anlagen gesichert. Auch dort sei das Konfliktpotenzial gering, sagt der Lautersteiner Bürgermeister Michael Lenz, denn die Windräder würden weit weg von den Häusern stehen.

Hauptgrund des Widerstandes: der geringe Abstand zu Häusern

Vielleicht ist genau dies auch der Punkt an den „umkämpften“ Standorten: Der geringe Abstand zur nächsten Wohnbebauung (laut Gesetz reichen 700 Meter aus) wird in den Einsprüchen der Bürger immer wieder als Hauptargument gegen die Windräder vorgebracht. Daneben sind es der Schutz der Landschaft sowie in Teilen die Furcht vor dem Wertverlust der eigenen Immobilie.

Wie sich die Landkarte der   Windkraftstandorte nun durch die privaten und öffentlichen Eingaben ändert, das kann Thomas Kiwitt noch nicht sagen. Gewichtig sind allerdings die Rückmeldungen der fünf Landratsämter und der Stadt Stuttgart, von denen drei vorliegen – danach werden zehn Standorte definitiv nicht weiterverfolgt. Der Grund dafür ist, dass diese Windräder in Landschaftsschutzgebiete gebaut worden wären, und dem haben die Landratsämter nicht zugestimmt.

„Diesen Ablehnungen werden wir entsprechen“, sagt Kiwitt deshalb. Ganz glücklich ist er aber nicht über die bestehende Regelung. Derzeit seien es die Landratsämter, die entscheiden, ob sie ein Windrad in einem Landschaftsschutzgebiet zulassen oder nicht, so Thomas Kiwitt: „Dies sind aber doch gerade die sensibelsten Standorte – über sie wird auf der Sachbearbeiterebene im Landratsamt entschieden.“ Er hält es für zwingend, dass die Landesregierung dazu klare Regeln aufstelle. Insgesamt liegen 42 der ursprünglich geplanten 96 Standorte in solchen Gebieten.

Bürger wünschen sich Dutzende weiterer Standorte

Umgekehrt werden jedoch Dutzende neue Wünsche an den Regionalverband herangetragen. Denn neben den Bürgern, die gegen Windräder sind, haben sich auch viele Bürger artikuliert, die unbedingt Windräder haben möchten. So hat eine Initiative im Bottwartal (Kreis Ludwigsburg) neun Standorte ausgemacht, die bis jetzt nicht in den Plänen des Regionalverbandes eingezeichnet sind. Auch in Bönnigheim (Kreis Ludwigsburg) hat sich ein Verein gegründet: „Strom vom Stromberg“ heißt die Initiative. Da die Stadt Bönnigheim den Wunsch unterstützt, könnte der VRS ihn vielleicht auch erfüllen.

Daneben sind auch einige Kommunen noch nicht zufrieden mit der Zahl der ausgewiesenen Standorte. So möchte Leonberg (Kreis Böblingen) gerne weitere Windräder an der Autobahn ermöglichen. Und Nürtingen (Kreis Esslingen) will beim Teilort Neckarhausen einen Standort ausweisen, um eine Alternative zu haben, da das große Gebiet im Tiefenbachtal jetzt ausgemustert worden ist.

Im April oder Mai soll der überarbeitete Plan den Regionalräten vorgestellt werden. In trockenen Tüchern wird die Zukunft der Windkraft in der Region Stuttgart dann immer noch nicht sein. Aber zumindest die unkritischen Standorte könnten von diesem Zeitpunkt an genehmigungsfähig sein. Vermutlich wird es dennoch 2014, bis sich das erste neue Windrad dreht.