Die bisherige Zahl von 85 geplanten Standorten für Windkraftanlagen in der Region Stuttgart wird sich noch deutlich reduzieren – das lässt sich jetzt vorhersagen, nachdem der Verband Region Stuttgart (VRS) bei seiner Planung auf die Zielgerade einbiegt.

Stuttgart - Die bisherige Zahl von 85 geplanten Standorten für Windkraftanlagen in der Region Stuttgart wird sich noch deutlich reduzieren – das lässt sich jetzt vorhersagen, nachdem der Verband Region Stuttgart (VRS) bei seiner Planung auf die Zielgerade einbiegt. Am Mittwoch hat die Verwaltung eine Vorlage eingebracht, die unglaubliche 1100 Seiten umfasst. Sie wird im Juli beraten und, vermutlich mit diversen Änderungen, im September beschlossen. Viele Fakten sind aber schon klar.

 

Neun der 85 sogenannten Vorranggebiete für Windkraftanlagen fallen definitiv aus rechtlichen Gründen weg (siehe die roten Kreuze in der Karte). Sechs dieser Gebiete dürfen wegen des Artenschutzes nicht mit Windrädern bebaut werden, zwei wegen des Landschaftsschutzes; ein Gebiet liegt in der Einflugschneise des Echterdinger Flughafens.

Sieben weitere Standorte sollen nach Vorschlag der Regionalverwaltung wegfallen; darüber muss aber noch das Parlament entscheiden (blaue Kreuze in der Karte). Die Gründe sind sehr unterschiedlich. So seien Windräder mit einem Flugplatz in Renningen (Kreis Böblingen) unvereinbar, weshalb gleich zwei Standorte gestrichen werden sollen. Die Nähe zu einem Campingplatz ist der Grund bei einem Standort bei Lichtenwald (Kreis Esslingen). In Neckarhausen bei Nürtingen sei die Windstärke zu gering, ein Standort im Landkreis Göppingen sei schlicht zu steil für ein Windrad.

Möglicherweise werden noch mehr Standorte gestrichen

Daneben gibt es bei 51 der 77 vorerst übrig gebliebenen Gebiete einen bis drei Zielkonflikte (diese Standorte sind in der Karte mit einem Kreis gekennzeichnet). Wetterdienst und Flugsicherung haben bei vielen Flächen ihr Veto eingelegt, manche liegen im Landschaftsschutzgebiet oder in einem Natura-2000-Gebiet. Wie viele dieser Standorte dennoch letztlich bebaut werden dürfen, ist vorerst unabsehbar. Undenkbar ist es nicht: Auf der Schwäbischen Alb lassen sich bei Standorten, wo schon Windräder stehen, bis zu drei Konflikte feststellen. Der einzige Stuttgarter Standort im Tauschwald ist mit einem Konflikt angegeben – er liegt im Landschaftsschutzgebiet.

Weiter kommt nun die Politik ins Spiel. Die Fraktionen in der Regionalversammlung haben am Mittwoch bereits eigene Positionen eingebracht (siehe Zusatztext links), was womöglich zur Streichung weiterer Standorte führt. CDU und FDP haben zum Beispiel anklingen lassen, dass sie dem „Schutzgut Mensch“ größere Bedeutung zukommen lassen wollen als es die Gesetze derzeit vorschreiben. Im Raum stehen zudem gewisse Minimalanforderungen an einen Standort: Vielleicht entscheidet die Politik, dass ein Standort eine Mindestgröße haben oder eine gewisse Mindestwindstärke aufweisen muss, um weiter in der Planung zu bleiben.

Ein Vorranggebiet bei Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) ist übrigens wieder in die Planung aufgenommen worden.

Das meinen die Fraktionen

Weil die 1100 Seiten umfassende Vorlage erst am Mittwoch den Regionalräten vorgelegt wurde, gab es keine konkreten Entscheidungen. Die Fraktionen bekannten sich grundsätzlich zur Energiewende, allerdings setzten sie unterschiedliche Schwerpunkte. CDU Das Ziel müsse sein, den Ausbau der Windenergie so zu gestalten, dass die Lebensqualität in der dicht besiedelten Region nicht darunter leide, sagte der Regionalrat Jürgen Lenz. 200 Meter hohe Windräder hätten erhebliche Auswirkungen auf das Landschaftsbild. In Einzelfällen müsse auch an einen größeren als den bisher zugrunde gelegte Abstand von 700 Metern zur Wohnbebauung gedacht werden. Großen und windstarken Standorten müsse Vorrang eingeräumt werden. Grüne Die Region müsse einen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung leisten, sagte die Regionalrätin Dorothee Kraus-Prause. Zwar sei die Windenergie nur ein Teil, aber ein wichtiger Teil. Die Grünen wollten möglichst viele Standorte in dem Verfahren lassen. SPD Die Fraktion schrecke die große Zahl der Standorte nicht, da in der weiteren Debatte noch genügend Gebiete wegfallen würden, sagte der Regionalrat Matthias Hahn. Er betonte, dass die Region mit den Vorranggebieten nur Standorte festlege, wo gebaut werden könnte. Das bedeute nicht, dass dort auch ein Windrad gebaut werde. Freie Wähler Man stehe vor schwierigen Entscheidungen, sagte der Regionalrat Wilfried Wallbrecht. Das liege an der dichten Bebauung in der Region, aber auch daran, dass über die Standorte in der Öffentlichkeit mit großer Sachlichkeit, aber vielen Emotionen diskutiert werde. Linke Christoph Ozasek sagte, man müsse alle Anstrengungen unternehmen, um irreparable Schäden an der Biosphäre zu verhindern; deshalb wolle die Linke in der Region möglichst viele Standorte ausweisen. Ozasek lehnte es deshalb ab, kleine oder windschwache Standorte von vorneherein auszuschließen. FDP Kai Buschmann forderte, dass der Mindestabstand der Anlagen zur Wohnbebauung 1000 Meter betragen müsse, so wie er auch für die Horste der Milane gelte. „Es ist den Bürgern nicht zu vermitteln, dass für sie andere Maßstäbe gelten als für Tiere“, sagte Buschmann.