Die erneuerbaren Energien haben erstmals einen Anteil von mehr als 20 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland.

Berlin - Dank mehr Windkraft und Sonnenstrom haben die erneuerbaren Energien erstmals einen Anteil von mehr als 20 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland. Nach ersten Schätzungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deckte Strom etwa aus Wind- und Photovoltaikanlagen im ersten Halbjahr mit 57,3 (2010: 50,4) Milliarden Kilowattstunden etwa 20,8 Prozent des Strombedarfs. Im ersten Halbjahr 2010 waren es noch 18,3 Prozent.

 

EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) nannte den Ausbau der Ökoenergien vorbildlich, warnte aber wegen der Energiewendekosten vor einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands. „Unsere Stromkosten sind gefährlich hoch“, sagte Oettinger am Montag bei der Handelsblatt-Jahrestagung Erneuerbare Energien in Berlin.

Für energieintensive Betriebe werde das zum Problem. Nur Dänemark habe in der Europäischen Union einen höheren Strompreis. 48 Prozent des Strompreises in Deutschland seien „politikgetrieben“, also Steuern und Abgaben. Daher liege eine Verantwortung auch bei der Politik, so wirke auch die Brennelementesteuer für Atomkraftwerk-Betreiber preistreibend.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit dem alle Stromverbraucher mit 3,5 Cent je Kilowattstunde die Ökoenergien fördern, sei zwar ein Erfolgsmodell. Es brauche aber wegen der üppigen Förderbedingungen eine „sanfte Landung“, sonst könnten sich die Subventionen mit EU-Wettbewerbsrecht stoßen.

Oettinger: Chance für Griechenland

Oettinger bekräftigte sein Eintreten für eine Harmonisierung der Förderung von Strom etwa aus Solar- und Windanlagen in Europa, denn sonst könne man keinen funktionierenden europäischen Energie-Binnenmarkt entwickeln. „Wir müssen hier die Brille Berlins weiten“, sagte Oettinger. Eine Vereinheitlichung der Öko-Förderung würde Ländern wie Griechenland Chancen bieten, sich aus der Schuldenfalle zu befreien. „Oliven und Schafskäse alleine reichen nicht aus“. In Südeuropa gebe es 2000 Sonnenstunden, in Deutschland nur 800. „Der Kaufmann rät dort zu installieren, wo die Sonne scheint“, sagte er.

In Deutschland gab es 2010 wegen der höheren Förderung als in den meisten anderen EU-Staaten einen massiven Zubau an Solaranlagen. Die Windenergie bleibt aber mit rund 7,5 (2010: 6,6) Prozent Anteil an der Stromerzeugung der wichtigste Ökostromlieferant. Es folgt Biomasse mit 5,6 (5,4) Prozent. Die Photovoltaik konnte ihren Beitrag durch den Zubau und viel Sonne im Frühjahr fast verdoppeln und verdrängt Wasserkraft vom dritten Platz. Insgesamt lieferten Solaranlagen 3,5 (2,0) Prozent des Stroms. Wasserkraft lieferte 3,3 (3,6) Prozent, der Rest verteilte sich auf andere Energiegewinnungsformen.

Bis 2020 sollen laut Regierung mindestens 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Im Zuge der Energiewende halten 94 Prozent der Bürger den Ausbau der erneuerbaren Energien für wichtig oder sehr wichtig. 65 Prozent seien dafür auch bereit, Ökostrom-Anlagen in der Nachbarschaft mitzutragen, ergab eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der Agentur für erneuerbare Energien.

Oettinger fordere die deutsche Energiewirtschaft auf, Frieden zu schaffen und Konzerne wie RWE und Eon leben zu lassen. Man brauche ein paar Unternehmen, die in der Champions League spielen, um sich im EU-Energiemarkt zu behaupten.