Lange haben das Umwelt- und das Verkehrsministerium in Sachen Windkraftstandorte zum Ärger der Planer im Regionalverband geschwiegen. Plötzlich greifen sie doch noch in die Verfahren ein.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Mit ungewöhnlichen Maßnahmen zum Thema Windkraft haben das Umwelt- und das Verkehrsministerium in den vergangenen Tagen für Irritationen gesorgt. Zum einen hat das Verkehrsministerium extrem lange gebraucht, um dem Regionalverband seine Stellungnahme zu den geplanten Standorten zu übermitteln; jetzt hat es grundsätzliche Bedenken gegen das Verfahren der Region angemeldet, dem es ein Jahr lang zugeschaut hat. Zum anderen hat sich Umweltministerium nun direkt an das Landratsamt Göppingen gewandt, nachdem die Behörde zwei Windkraftstandorte bei Gruibingen gestrichen, um die Landschaft zu schützen. Nun regt das Ministerium einen Ortstermin an. Der Standort soll nochmals geprüft werden. Ein solcher „Durchgriff von oben nach unten“ sei ihm noch nie untergekommen, sagt ein erfahrener Beobachter.

 

Region wartet lange auf Antworten der Ministerien

Zur Erinnerung: Es war die grün-rote Landesregierung, die sich vor gut zwei Jahren das Ziel gesetzt hatte, die Energiewende in Baden-Württemberg in Schwung zu bringen – die Windkraft spielt dabei eine zentrale Rolle. Umso ärgerlicher war es für Thomas Kiwitt, den Chefplaner des Verbandes Region Stuttgart (VRS), dass sich das Land zu wichtigen Fragen nie geäußert hat. Kiwitt hätte sich gewünscht, dass das Land eine klare Ansage macht, ob Windräder in Landschaftsschutzgebieten möglich sind oder nicht. Da das Land schwieg, entschieden die Landratsämter je nach Einzelfall. Heikel waren diese Beschlüsse auch, weil vielen Stücklesbesitzern nicht einmal ein Parkplatz auf der Wiese gestattet wird, 200 Meter hohe Windräder sind aber nun teilweise möglich. Beim Landratsamt Göppingen dürfte man sich gewundert haben, dass das Umweltministerium gerade jetzt sein Schweigen bricht und über die zwei großen Standorte bei Gruibingen mit 320 Hektar sprechen will. Frank Lorho, der Sprecher des Ministeriums, erklärt: Man erfülle damit nur den Wunsch des Gruibinger Bürgermeisters Roland Schweikert, der auf den Minister zugekommen sei.

Die folgende Karte zeigt die aktuellen (grüne Punkte) sowie mögliche Windräder (gelb) in der Region Stuttgart. An den rot markierten Standorten werden die Planungen nicht weiterverfolgt. Klicken Sie auf den Marker, um weitere Informationen zu erhalten!

Schweikert bestätigt dies. Die Gemeinde habe ein Interesse an dem Standort – allerdings in deutlich verkleinertem Umfang: „Windräder auf 300 Hektar verträgt unsere Landschaft nicht; wir möchten ein kleines Gebiet für drei bis vier Anlagen.“ Laut Frank Lorho wolle man nun ausloten, ob alle Spielräume genutzt worden seien. Er sagt aber auch klar: „Uns liegt schon daran, dass sehr windstarke Standorte wie bei Gruibingen auch ermöglicht werden.“ Ulrich Majocco, der erste Landesbeamte beim Landratsamt, muss jedoch alle enttäuschen: „Diese Areale sind im gesamten Landkreis die wertvollsten Landschaftsflächen; wir können dort keine Windräder zulassen.“ Man habe zweimal geprüft, um sicher zu sein; und man habe doch bei zwölf weiteren Flächen im Landschaftsschutzgebiet eine Ausnahme in Aussicht gestellt. Majocco weiß aber auch, dass das Landwirtschaftsministerium eine Weisung erlassen könnte: „Dann beugen wir uns natürlich der höheren Einsicht.“

Kein besonderer Schutz für den Albtrauf

In der Region Stuttgart stellt sich die Situation nun so dar, dass bisher 16 von 102 Standorten zum Schutz der Landschaft nicht weiter verfolgt werden; sollte Gruibingen nicht wegfallen, wären es 14. Der Albtrauf als landschaftlicher Höhepunkt der Region ist auf jeden Fall nicht gesondert geschützt, wie man aus den Plänen herauslesen kann: Rund zehn Standorte sind weiter entlang der Albkante geplant.

Für noch mehr Aufregung hat aber der Brief des Verkehrsministeriums gesorgt, der jetzt beim Regionalverband eingegangen ist. Darin fordert das Ministerium, die Region solle zulassen, dass auch die Kommunen eigene Gebiete definieren könnten. Thomas Kiwitt war sichtbar baff: Mehr als ein Jahr lang hat man mit allen 179 Kommunen in der Region gesprochen, hat Tausende von Stellungnahmen eingeholt und hat die Bürger eingebunden – und jetzt soll es plötzlich ein Parallelverfahren geben.

Die Region als Musterknabe in Sachen Windenergie?

Zu diesem Konflikt hat es letztlich kommen müssen. Denn es war die erklärte Absicht des Landes gewesen, den Regionalverbänden die Planung teilweise aus der Hand zu nehmen und sie den Kommunen zu übergeben. Der Regionalverband hat sich dem mit einem kleinen Trick widersetzt: Er hat alle Kommunen gleich einbezogen; zugleich hat er mit dem planerischen Instrument des Grünzugs, der nicht bebaut werden darf, ausgeschlossen, dass andere zusätzliche Standorte ausweisen können – die Windkraftplanung blieb also komplett beim Regionalverband. Das gefällt dem Ministerium nicht. Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) pocht darauf, dass das entsprechende Gesetz anders lautet; sie will den Konflikt aber nicht so hoch hängen: „Wir wünschen uns, dass Kommunen ausnahmsweise Windräder im Grünzug planen können. Wir stellen nicht das bisherige Verfahren in Frage.“

Dabei hätte das Ministerium keinen Grund, sich zu beklagen. Denn die Region hat nach jetziger Planung 82 Standorte ausgewiesen, weit mehr als wohl jede andere Region im Land. Die Region Stuttgart – also ausgerechnet eine der letzten noch von den bürgerlichen Parteien dominierte Bastion im zentralen Baden-Württemberg – ist so zum Windkraft-Musterknaben geworden. Splett würdigt dies, sagt aber auch: „Noch ist doch völlig unklar, wie viele Standorte am Ende übrig bleiben.“