Kaum dass Winfried Kretschmann anregte, weniger Autos zu bauen, brach die Kritik über ihn herein. Im Land der Premium-Autos ist damit nicht zu spaßen.

Stuttgart - Die deutschen Autobauer sollten nach Ansicht von Baden-Württembergs künftigem Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) künftig weniger und umweltfreundlichere Fahrzeuge herstellen. „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr. Wir müssen in Zukunft Mobilitätskonzepte verkaufen und nicht nur Autos“, sagte Kretschmann der „Bild am Sonntag“. „Dazu gehören Laufen, Fahrradfahren, Autofahren, Eisenbahnfahren.“ Für diesen Vorstoß zog sich der Grünen-Politiker umgehend scharfe Kritik zu. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf ihm vor, den Wirtschaftsstandort zu gefährden.

 

Der designierte Regierungschef sieht dagegen die Arbeitsplätze in der Automobilbranche ohne eine ökologischere Ausrichtung in Gefahr. „Wenn die Automobilindustrie es nicht schafft grüner zu werden, wird sie keine Zukunft haben.“

Gröhe kritisierte Kretschmann scharf. „Herrn Kretschmanns abstruse Forderung macht deutlich, wer der große Verlierer von Grün-Rot sein wird: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Daimler, Porsche und den vielen Zulieferern“, erklärte er in Berlin.

„Mit der Kampfansage an die Automobilindustrie, höherer Grunderwerbsteuer und der Blockade wichtiger Infrastrukturprojekte setzt Grün-Rot den Erfolg des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg in unverantwortlicher Weise aufs Spiel.“

Porsche will mit Kretschmann reden

Porsche will bald mit Der Sportwagenbauer Porsche will mit Kretschmann alsbald über die Zukunft von Baden-Württemberg als Autoland reden. „Wir wollen ihn einladen, um mit ihm in einen Dialog zu treten. Dieser sollte der Beginn einer konstruktiven Zusammenarbeit sein“, sagte ein Porsche-Sprecher am Sonntag. Zu Kretschmanns konkretem Vorschlag wollte er sich nicht äußern. „Die Fahrzeuge, die wir bauen, sind in hohem Maße effizient“, versicherte der Sprecher. Daimler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Kritik und Unterstützung erhielt Kretschmann vom Auto Club Europa: „Die Strategie der Autohersteller orientiert sich zunächst nicht an den extravaganten Wünschen eines designierten Ministerpräsidenten, sondern daran, was die Käufer wollen“, sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner. Dabei spielten die Erfordernisse der Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. „Im übertragenen Sinne heißt das: Die wirklich starken Autos sind schwach im Verbrauch. Autohersteller müssen in diesem Sinne ihren guten Vorsätzen Taten folgen lassen.“ Automobilität müsse für Otto Normalverbraucher aber auch erschwinglich bleiben.

„Wir wollen grüne Produkte und Dienstleistungen exportieren"

Kretschmann sieht im ökologischen Umbau der Autoindustrie ein Kernprojekt seiner künftigen Arbeit: „Wir wollen grüne Produkte und Dienstleistungen exportieren. Wir müssen zeigen: Wohlstand ist möglich, ohne Lebensgrundlagen zu zerstören. Darin besteht unsere spezielle Verantwortung, darum wird ein Grüner hier Ministerpräsident.“ Sorgen müsse sich die Automobilindustrie in Baden-Württemberg wegen der Wahl eines Grünen zum Ministerpräsidenten nicht machen, „aber sie muss in Zukunft Autos bauen, die viel weniger Sprit verbrauchen“.

Baden-Württemberg ist das Kernland der deutschen Autoindustrie. Mehr als jeder vierte Beschäftigte der Branche in Deutschland arbeitet hier. 241 Betriebe aus der Branche zählten 2008 nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Stuttgart knapp 207 000 Mitarbeiter. Damit arbeitete fast jeder fünfte Industriebeschäftigte im Südwesten in der Autobranche. Zu den großen Namen der Branche gehören neben Daimler und Porsche der weltgrößte Autozulieferer Bosch und der drittgrößte deutsche Zulieferer ZF Friedrichshafen.

Weitere wichtige Arbeitgeber sind Audi mit seinem Werk in Neckarsulm und Zulieferer wie der Kolbenspezialist Mahle oder der Kühler-Hersteller Behr.