Die Umfrageergebnisse der Grünen sind mäßig. Dennoch würde die Partei gerne in Berlin mitregieren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hat die Union wie die SPD gleichermaßen im Visier.

Stuttgart - Vor vier Jahren sondierten die Grünen nach der Bundestagswahl eine mögliche Koalition mit der Union. Die Option einer gemeinsamen Regierung zerschlug sich damals aber. Kommt es nun anders, vielleicht auch in einem Dreierbündnis? Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident, Winfried Kretschmann, erklärt im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart, was er von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer hält.

 
Die Grünen stehen in den Umfragen konstant bei sieben bis acht Prozent. Was muss bis zur Wahl geschehen, damit sich das ändert?
Ich glaube fest daran, dass sich das bis zur Wahl ändern wird. Welche der zurückliegenden Wahlen hat denn die Ergebnisse gebracht, die die Umfragen zwei oder drei Monate vorher gezeigt haben? Wir Grüne sind heute wichtiger denn je. Ich mach das an einem Beispiel deutlich: Ohne uns wird es keinen konsequenten Klimaschutz geben. Und das ist die entscheidende Menschheitsfrage des 21. Jahrhunderts. Sie entscheidet darüber, ob unser Planet vor die Hunde geht.
Sie sehen also keine strategischen Fehler bei den Grünen?
Es spielen immer auch selbst gemachte Fehler eine gewisse Rolle. Wir lagen im letzten Jahr in den Umfragen ja besser. Aber wir ziehen geschlossen in die Wahl. Wir haben zwei hervorragende Spitzenkandidaten. Wir haben den Ehrgeiz, beim Wahlergebnis in den zweitstelligen Bereich vorzustoßen. Die Chancen stehen gut.
Was für ein Ergebnis streben sie für die Grünen im Südwesten zur Bundestagswahl an?
Jedenfalls eines, das weit über dem Bundesergebnis für die Grünen liegt, so dass wir das Ergebnis nach oben ziehen. Wir lagen in der letzten Umfrage zur Bundestagswahl im Land bei 14 Prozent. Das ist wirklich gut, aber wir können noch zulegen. Die grünen Themen sind keine Nebenthemen. Auf Dauer wird nur eine Wirtschaft erfolgreich sein, die Ökonomie und Ökologie verbindet. Nehmen wir die Zeitenwende beim Auto. Die entscheidende Frage ist: Schafft die Autobranche den großen Transformationsprozess. Emissionsfreies Fahren, autonomes Fahren, die Vernetzung: Das wird die Zukunft entscheiden. Und wir Grünen sind am besten geeignet, die Autoindustrie bei der Transformation zu unterstützen. Nicht weil wir die größten Autonarren sind, sondern weil wir als einzige Klimaschutz und wirtschaftlichen Erfolg zusammendenken.
Halten Sie es nach wie vor für richtig, dass die Grünen ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen? Der Bürger weiß doch jetzt nicht, was für eine Koalition er mit den Grünen bekommt.
Ich halte das für richtig. Wir Grüne regieren in zehn Bundesländern in sieben Konstellationen. Koalitionsaussagen kann man in Zeiten wie diesen leider nicht mehr machen. Wir wollen als Grüne möglichst gut abschneiden und werden nach der Wahl schauen, wie wir am Schluss möglichst viele grüne Inhalte durchgesetzt bekommen.
Sie gelten als Anhänger von Schwarz-Grün im Bund. Wie hoch schätzen Sie die Chance ein, dass es zu so einer Koalition kommt?
Das kann man heute nicht sagen. Wir sind jedenfalls offen für eine Koalition mit der Union. Wir sind aber auch offen für eine Koalition mit der SPD. Wir haben mit Schulz und Merkel zwei seriöse Kandidaten. Jeder weiß, dass ich die Kanzlerin schätze, aber ich habe auch ein sehr gutes Verhältnis zu Herrn Schulz. Deutschland wird eine stabile Regierung bekommen. Wir Grünen sind ein zuverlässiger Partner in Regierungen, der ernsthaft arbeitet und sich an Vereinbarungen hält. Klar ist: Nur mit uns Grünen in der Regierung geht Deutschland beim Klimaschutz und bei der ökologischen Modernisierung voran.
Mit der Union bekämen sie aber auch CSU-Chef Horst Seehofer mit an den Verhandlungstisch. Ist auch er ein zuverlässiger Partner?
Wir arbeiten ja bereits in der Ministerpräsidentenkonferenz zusammen. Bei allen politischen Unterschieden haben wir uns immer auch einigen können. Da muss man ein weites Herz haben. Kollege Seehofer ist immer auch kompromissbereit. Ich gehöre nicht zu denen, die ihn dämonisieren. Denn dafür gibt es überhaupt keinen Grund.