Ein Spendenwerber der Winnender Björn-Steiger-Stiftung vergreift sich gegenüber einer Passantin an einem Infostand in Duisburg völlig im Ton.

Winnenden/Duisburg - Eigentlich hat sich Rosemarie Koch dieser Tage an einem Infostand in der Duisburger Innenstadt gerne über die Arbeit der Björn-Steiger-Stiftung aufklären lassen. Insbesondere, was es mit dem Baby-Notarztwagen, dem jüngsten Projekt der in Winnenden beheimateten gemeinnützigen Organisation, auf sich hat, interessierte sie. Doch im Verlauf des Gesprächs mit einem jungen Mann wich ihr Interesse schlagartig dem Entsetzen.

 

Als sie von dem Werber gebeten wurde, noch vor Ort ein Formular auszufüllen, mit dem sie sich zu einer Dauerspende verpflichtet hätte, habe sie höflich abgelehnt. Nicht, weil sie grundsätzlich etwas dagegen gehabt hätte, sondern weil sie die Unterlagen der Stiftung noch einmal in Ruhe zu Hause studieren wollte. Daraufhin sei der junge Mann ausfällig geworden, er habe sie auf übelste Weise beschimpft und beleidigt, ihr versucht zu suggerieren, dass sie mitverantwortlich dafür wäre, wenn jetzt ein Baby sterben würde, sagt Rosemarie Koch. Am Ende habe er ihr noch „einen angenehmen Unfalltod“ gewünscht.

Melanie Storch, die Pressesprecherin der Björn-Steiger-Stiftung, muss das, was Rosemarie Koch so der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ berichtete, „leider ohne wenn und aber bestätigen“. Sie habe mit Frau Koch gesprochen und sich für die Entgleisung entschuldigt, die natürlich auf keinen Fall im Sinne der Stiftung sei.

Der junge Mann ist freilich nicht bei der Björn-Steiger-Stiftung angestellt. Man arbeite seit etwa zweieinhalb Jahren mit verschiedenen Agenturen zusammen, die Menschen von der Sinnhaftigkeit einer möglichst regelmäßigen Spende überzeugen sollen, sagt Melanie Storch. Das sei nichts Ungewöhnliches, fast alle anderen gemeinnützigen Institutionen, von BUND bis Greenpeace, täten dies auch. Man sei mittlerweile darauf angewiesen, weil die Zeiten großzügiger Großspender und bereitwilliger Sponsoren offenbar der Vergangenheit angehörten.

Die Steiger-Stiftung steht allerdings wohl auch wegen ihrer finanziellen Verbindlichkeiten unter einem besonderen Druck, sich um Fördermitglieder zu bemühen. Erst eine Ausfallbürgschaft des Landes rettete die verdienten Retter (siehe „Die Björn-Steiger-Stiftung“) vor zwei Jahren vor dem Aus. Seither setzt man auf die sogenannten Fundraising-Agenturen, deren Dienste freilich auch ihren Preis haben: Dem Vernehmen nach ein kompletter Jahresbeitrag, wenn die Förderer längerfristig gehalten werden können.

Doch nicht nur vor diesem Hintergrund nennt Melanie Storch den jüngsten Vorfall in keiner Weise tolerabel. „Ich habe eine Gänsehaut bekommen, als ich das gehört habe“, sagt sie. Man habe der Agentur sehr deutlich gesagt, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe. Der junge Mann, der sein Verhalten gegenüber der Frau noch mit seinem Recht auf die freie Meinungsäußerung untermauert haben soll, habe eine Abmahnung erhalten.

Damit und mit der Entschuldigung hofft man, den unschönen Einzelfall ad acta legen zu können. Schließlich will sich die Stiftung demnächst mit einem neuen Projekt profilieren. Die Presse ist für kommenden Monat nach Bonn geladen, um dort etwas über eine „neue Technik der Notrufkommunikation“ zu erfahren. Genaues will die Stiftung erst am 1. Oktober verraten.

Die Björn-Steiger-Stiftung

DIE BJÖRN-STEIGER-STIFTUNG

Anlass:
Zwei Monate nach dem Tod ihres Sohnes Björn haben Ute und Siegfried Steiger eine Stiftung gegründet, die dessen Namen trägt. Der Achtjährige war am 3. Mai 1969 auf dem Heimweg vom Schwimmbad von einem Auto überfahren worden. Es dauerte eine Stunde, bis ein Krankenwagen eintraf. Er hätte möglicherweise überlebt, wenn ihm schneller geholfen worden wäre.

Ziel
: Seither setzen sich die Steigers für eine Beschleunigung und Verbesserung der Notfallhilfe ein. Zu den Initiativen, welche die Stiftung angestoßen hat, zählt unter anderem die Einführung der bundesweit einheitlichen Notruf-nummern 110 und 112, der Aufbau von Notruftelefonnetzen an deutschen Straßen sowie der Aufbau der Luftrettung. Vor zwei Jahren hat Siegfried Steiger den Vorstandsvorsitz an seinen Sohn Pierre-Enric übergeben.

Kritik:
Mit einer Kredit-Ausfallbürgschaft über 1,5 Millionen Euro hat das Land die Stiftung im November 2010 vor dem Aus bewahrt. Immer wieder war die Entscheidung wegen unterschiedlicher Darstellungen für den Grund der Notlage, das Ziel der Hilfe und die Bedingungen der Bürgschaft verschoben worden. Auch das jüngste Projekt, der speziell für Babys entwickelte Notarztwagen, hat zwischenzeitlich Dissonanzen hervorgerufen. Während die Stiftung im Kreis Göppingen für einen solchen Rettungswagen Spenden sammelte, verlautbarten das örtliche Rote Kreuz und die Kreiskliniken, dass sie ihn für entbehrlich hielten.