Vor 75 Jahren fuhren erstmals die Busse der „Gemeinnützigen Kranken-Transport GmbH“ die damalige Heilanstalt Winnental an. Sie brachten Behinderte und psychisch Kranke zur Vergasung nach Grafeneck.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Winnenden - „Gemeinnützige Kranken-Transport GmbH“ – der Name lässt nichts Böses vermuten. Doch die grauen Busse dieser Organisation, die 1940 erstmals die damalige Heilanstalt Winnental anfuhren, nahmen Menschen mit in den Tod. Denn sie waren für die „Euthanasie-Aktion T4“ unterwegs, mit der die Nationalsozialisten jegliches in ihren Augen unwerte Leben vernichten wollten.

 

Mehr als 10  000 Behinderte und psychisch Kranke wurden in den Gaskammern von Grafeneck bei Münsingen ermordet, 396 von ihnen kamen aus der Winnender Heilanstalt. Trotz der Schweigepflicht, der das Pflegepersonal unterlag, machten bald entsprechende Gerüchte in Winnenden die Runde. Der Winnentaler Oberpfleger Wilhelm Epple erinnerte sich nach dem Kriegsende im Grafeneck-Prozess: „Man kann nicht sagen, dass die Transporte in Ruhe abgegangen sind. So hat einmal ein Kranker geschrien, man solle ihm eine halbe Stunde Zeit lassen, er wolle ans Grammophon und der Welt verkünden, was vor sich gehe. Ein anderer Kranker ist vor dem Omnibus niedergekniet und hat gefleht, man solle ihn doch da lassen. Er ist sei schließlich aber dann doch von den Grafenecker Transportleuten ins Auto gebracht worden.“

Bis März 2016 steht ein Beton-Bus als Denkmal am ZFP

Die Ereignisse aus der NS-Zeit liegen jetzt 75 Jahre zurück. Das heutige Zentrum für Psychiatrie (ZFP) des Klinikums Schloss Winnenden nimmt das zum Anlass, auf dieses dunkle Kapitel in der Geschichte seiner Vorgängereinrichtung zurückzublicken. Am Donnerstag, 24. September, wird um 10 Uhr ein Denkmal für die Opfer der Euthanasie aufgestellt: Bis zum März 2016 steht eine Beton-Nachbildung eines damals eingesetzten Busses vor dem Haupteingang. Die Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz haben zwei dieser Denkmale geschaffen – eines steht in Ravensburg-Weissenau, das zweite reist von Ort zu Ort in ganz Deutschland.

Bis zum Frühjahr 2016 ist außerdem eine ganze Reihe von Veranstaltungen geplant. Eine Ausstellung, zu der die beiden Künstler, die Gedenkstätte Grafeneck sowie das ZFP beitragen, wird das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Auch Winnender Schulen beteiligen sich: Eine Schulklasse der Geschwister-Scholl-Realschule erinnert mit 396 Wimpeln an die Namen der vor 75 Jahren Ermordeten Und das Georg-Büchner-Gymnasium arbeitet an einer Karte, auf der die Herkunftsorte der Opfer verzeichnet sein werden. Führungen durch die Ausstellung sind nach Absprache möglich.

Die Initiative Psychiatrie-Erfahrener Waiblingen lädt außerdem zu einigen abendlichen Events in Winnenden und Stetten ein. Den Anfang macht ein Vortrag eines ehemaligen Patienten: Peter Lehmann hält am Freitag, 18. September, von 19 Uhr an im Andachtssaal des Klinikums Schloss Winnenden einen Vortrag mit dem Titel „Wegwerfpatienten“.