Der Amoklauf von München reißt in Winnenden alte Wunden auf. In der Stadt, die vor sieben Jahren Schauplatz einer solchen Tat war, geht man mit der Aufarbeitung behutsam und diskret um.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Bei Gisela Mayer steht das Telefon nicht mehr still. Die Sprecherin der Stiftung gegen Gewalt an Schulen ist nach dem Amoklauf von München als Ansprechpartnerin gefragt. Denn die Ethiklehrerin ist auch eine Betroffene des Amoklaufs an der Winnender Albertville-Realschule. Ihre Tochter, die dort als Referendarin tätig war, wurde am 11. März 2009 von dem 17-jährigen Täter ermordet, der 15 Menschen und dann sich tötete. „Ich gebe zu, dass ich nicht zu denen gehöre, die erleichtert waren, dass es sich ,nur’ um einen Amoklauf gehandelt hat“, sagt die 58-Jährige. „Für Angehörige ist es völlig irrelevant, ob es sich um einen Terroranschlag oder eine Amoktat handelt. Besonders erschüttert hat mich aber, dass in diesem Fall ein Bezug zu Winnenden besteht.“

 

Wie im Lauf des Wochenendes bekannt wurde, war der Münchener Täter im vergangenen Jahr nach Winnenden gefahren und hatte Fotos von der Albertville-Realschule gemacht. „Es wäre schrecklich, wenn nun Winnenden in Deutschland die Rolle zukommen würde, welche die Columbine High School in Amerika hat“, sagt Gisela Mayer. Dort hatten im April 1999 zwei Schüler zwölf Jugendliche und einen Lehrer ermordet sowie 24 Menschen verletzt. Anschließend begingen die beiden Selbstmord. Amoktäter suchten sich nahezu immer Vorbilder wie jene in Columbine, so Gisela Mayer, das sei aus der Forschung mittlerweile bekannt. „Sie recherchieren genau und über lange Zeit und suchen sich Vorbilder. Das wissen wir. Deshalb fordern wir auch immer wieder dazu auf, die Täter in der Berichterstattung nicht zu zeigen oder ihre Namen zu nennen.“

Forschungsprojekt zu Amoktätern gibt Hoffnung

Die Stiftung gegen Gewalt an Schulen, die von betroffenen Eltern nach dem Amoklauf an der Albertville-Realschule ins Leben gerufen wurde, fordert ausdrücklich eine Modifizierung des Waffenrechts. Tätern, wie dem 17-Jährigen in Winnenden, soll es nicht leicht gemacht werden, an Schusswaffen zu kommen. Er hatte die Pistole seines Vaters genommen, die dieser ungesichert in einem Wäscheschrank verwahrt hatte. „Es hat sich etwas verändert, aber wir sind noch weit davon entfernt zu sagen, die Situation sei gut. Wir wollen nicht das schärfste, sondern das sinnvollste Waffenrecht“, betont Gisela Mayer. Da der Täter in München sich jedoch auf illegale Weise eine Schusswaffe beschafft hatte, sei es für die Stiftung noch einmal notwendig, ihre Forderungen zu ändern. „Unsere Vorschläge an die EU zum Umgang mit legalen Waffen, waren dort eigentlich schon vom Tisch. Nach dem Vorfall in München ist das nun wieder anders. Jetzt werden wir nacharbeiten.“

Die Schusswaffen seien das eine, die Persönlichkeit der Amoktäter das andere. „Aus dem kriminologischen Forschungsprojekt Target der Universität Gießen zu Amokläufen wissen wir verschiedenes über die Persönlichkeiten der Täter, die es uns vielleicht möglich machen könnten, Amokläufe zu verhindern“, ist sich Gisela Mayer sicher. „Sie haben meist narzistische Persönlichkeitsstörungen und sind deshalb extrem kränkbar. Oft sagen sie sogar, dass sie es allen heimzahlen werden.“ Die Stiftung engagiert sich in der Prävention an Schulen mit verschiedenen Projekten gegen Mobbing.