Den Versuch, junge Leute aus der spanischen Partnerstadt nach Winnenden zur Berufsausbildung zu holen, sieht die Wirtschaftsbeauftragte der Stadt als Erfolg an. Man habe nach dem Praktikum bisher eine 100-prozentige Erfolgsquote, erklärt sie.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)
Winnenden - Als die sechs jungen Spanier aus der Partnerstadt Santo Domingo de la Calzada in diesem Frühjahr in Winnenden eingetroffen sind, hat keiner von ihnen auch nur einigermaßen Deutsch gesprochen. Fünf von ihnen haben jetzt ihre Lehre in Winnenden begonnen. Sara startet mit ihrer Ausbildung 2015. Franka Zanek sagt, das Projekt sei ein voller Erfolg. Sie berichtet, die Mütter und Väter in der Partnerstadt seien dankbar und froh, weil es in Winnenden Menschen gebe, die ihren Kindern Perspektiven bieten.
Frau Zanek, Ende Mai sind sechs junge Leute aus der Partnerstadt Santo Domingo de la Calzada nach Winnenden gekommen, um eine Lehre zu machen. Sind alle noch da?
Ja, alle.
Alle noch im selben Betrieb?
Bis auf einen, Miquel hat gewechselt. Von Fellbach nach Winnenden. Er lernt aber immer noch Koch, jetzt zusammen mit Borja im Restaurant Schöne Aussicht.
Warum?
Sagen wir mal so: die Chemie hat nicht gestimmt.
War es einfach, so kurzfristig eine neue Stelle für ihn zu finden?
Wir haben ein gutes Netzwerk, deshalb ist es gelungen, schnell – innerhalb von vier Tagen – eine andere Stelle für Miquel zu finden.
Sind jetzt alle zufrieden, wieder zufrieden? Die Lehrlinge und die Firmen, die sie angestellt haben?
Ja, alle sind zufrieden. Die beiden Kärcher-Jungs plagen sich mit dem Schwäbisch in der Berufsschule. Bei Ruben, der im Wunnebad lernt, fängt die Schule erst im Dezember an. Und Sara hat sich entschieden, zunächst ein halbes Jahr als Pflegehelferin im Klinikum Schloss Winnenden zu arbeiten und erst im nächsten Jahr mit der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin anzufangen.
Warum?
Weil der Klinik wichtig ist, dass sie diese anspruchsvolle Ausbildung auch schafft und noch besser Deutsch lernt.
Kann man bereits heute sagen: das Experiment mit den spanischen Azubis in Winnenden ist gelungen?
Auf jeden Fall – bis jetzt. Wir haben eine 100-prozentige Erfolgsquote nach dem Praktikum.
Ist das üblich?
Nein, Fachleute haben uns gesagt: wenn die Hälfte nach den ersten Monaten abspringt, dann sei das ganz normal. Wir hatten also damit gerechnet, dass einige abbrechen würden. Wir hoffen, dass alles auch weiterhin so gut läuft.
Welche Tipps geben Sie anderen Städten, die über ähnliche Projekte nachdenken?
Der Erfolgsfaktor unseres Projekts ist, dass wir von Anfang die soziale Integration der jungen Spanier mitbedacht haben.
Das heißt konkret?
Die Stadtverwaltung hat für die Praktikanten während der allerersten Tage sehr viel Zeit eingeplant. Zusätzlich haben wir den Spaniern zum Beispiel Fahrräder zur Verfügung gestellt. Und wir haben viele Partner, vor allem die ehrenamtlichen Paten.
Wer sollte mit ins Boot geholt werden, damit so ein Projekt funktioniert?
Ehrenamtliche Paten, im Idealfall sprechen einige von ihnen Spanisch, so können sie von Anfang an vermitteln. Sie sind unheimlich wichtig, damit die Spanier sich in Winnenden wohl fühlen, sich fast wie zu Hause fühlen. Und dann muss man einen guten Draht zu den örtlichen Unternehmen haben.
Die Projektpartner in Winnenden haben beschlossen, im nächsten Jahr weitere Spanier aus Santa Domingo de la Calzada für eine Lehre nach Winnenden einzuladen. Ganz sicher?
Bei der finanziellen Förderung durch den Bund hat sich einiges geändert. Jetzt benötigen wir einen Träger.
Lassen Sie mich raten: Sie haben einen gefunden.
Ja, stimmt. Die Paulinenpflege Winnenden wird diesen wichtigen Part übernehmen. Zusammen mit der Stadt und dem Verband der Selbstständigen hat die Paulinenpflege jetzt einen Projektvorschlag eingereicht. Das bestehende Netzwerk in Winnenden bleibt erhalten. Die Volkshochschule ist wieder mit im Boot. Einige Firmen haben bereits fest zugesagt, wieder Ausbildungsplätze anzubieten, zum Beispiel Kärcher.
Wie viele Spanier sollen diesmal kommen?
Pro Träger müssen es nun mindestens zehn junge Menschen sein.
Gibt es genügend Interessenten in Spanien?
Ja, das ist die Voraussetzung. Wir waren im September mit einer Delegation in Santo Domingo de la Calzada und haben das besprochen. Alle unsere Spanier waren während der Sommerpause dabei, und sie haben die Werbetrommel gerührt. Gut möglich, dass im nächsten Jahr ein paar ihrer Freunde nach Winnenden zur Ausbildung kommen.
Lassen sich denn genügend Firmen in Winnenden wieder darauf ein, Lehrlinge einzustellen, die zunächst nur schlecht Deutsch sprechen?
Ich bin zuversichtlich. Der Verband der Selbstständigen hat volle Unterstützung zugesagt.
Welche Ziele verfolgt die Stadt Winnenden ganz generell mit dem ungewöhnlichen Engagement?
Mit dem Projekt helfen wir unserer Partnerstadt, dem Problem Jugendarbeitslosigkeit zu begegnen. Damit geht einher, dass wir dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken.
Es gibt mitunter Kritik, dass Deutschland die besten Kräfte aus den südeuropäischen Ländern abziehe.
Mit diesem Projekt hungern wir die Partnerstadt nicht aus. Wir helfen – und so wird das in Santo Domingo de la Calzada auch empfunden.
Was haben Sie ganz persönlich während der sechs Monate mit den spanischen Auszubildenden gelernt?
Die persönlichen Begegnungen in der Partnerstadt werde ich nicht vergessen. Der Opa eines unserer Spanier hat den Vertreter der Winnender Firma Kärcher beim Besuch in Spanien umarmt und sich bedankt. Ich habe Miquels Mutter persönlich kennengelernt. Die Menschen sind dankbar und froh darum, dass es in der Partnerstadt Winnenden Menschen gibt, die ihren Kindern Perspektiven bieten. Mir sind die jungen Spanier ans Herz gewachsen. Ich freue mich, wenn ich höre, dass die Azubis aus der Partnerstadt sich wohl fühlen in Winnenden, wenn sie zum Beispiel im Sportverein ihren Platz gefunden haben. Es geht um Menschen und deshalb sollte man die menschliche Komponente bei derartigen Projekten nie außer Acht lassen – und diese wiederum hat meine Arbeit für dieses Projekt sehr bereichert.