Die Temperaturen bleiben im Keller und es fällt auch noch Schnee. Der harte Dauerfrost macht vielen zu schaffen. Obdachlose können sich im städtischen Kältebus aufwärmen.

Stuttgart - Der Winter schwächelt nicht. Die klirrende Kälte hat Stuttgart weiterhin fest im Griff . Im Hafen versucht der Eisbrecher Stadt Stuttgart täglich die Fahrrinnen freizuhalten, die Pannenhelfer der Automobilclubs sind im Dauerstress: Aus allen Ecken der Stadt melden sich liegen gebliebene Autofahrer. Und die Meteorologen geben keine Entwarnung: Es bleibt beim strengen Dauerfrost – Faschingsfans sollten sich nach warmen Kostümen umsehen.

 

Winterpracht

„Am Dienstag fallen in Stuttgart ein bis zwei Zentimeter Schnee“, sagt der Meteorologe Clemens Steiner vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. Auch am Donnerstag und Freitag sei mit einigen Flocken zu rechnen. Da sich der Himmel dabei tagsüber etwas bewölke, stiegen die Temperaturen – aber nur leicht. „Es bleibt beim Dauerfrost“, so Steiners Prognose. Aber minus sechs Grad seien immerhin etwas „wärmer“ als minus zehn. Nachts herrsche weiterhin frostige Kälte zwischen minus 16 und minus 20 Grad. „Am Wochenende ist es auch tagsüber wieder richtig knackig kalt“, heißt es beim Wetterdienst. Bei so viel Frost haben selbst Meteorologen große Probleme mit dem Wetter. „Ein Kollege von der Ostalb musste seinen Wagen stehen lassen, weil der Diesel im Tank versulzt ist“, so Steiner.

Stillstand I

Der ADAC hatte am Montag einen Rekord zu vermelden: etwa viertausendmal mussten die Pannendienste ausrücken. An normalen Tagen beträgt die Zahl der Einsätze rund 300. „Wir bewegen uns an der absoluten Kapazitätsgrenze“, sagt ADAC-Sprecher Reimund Elbe. Das Hauptproblem seien die Autobatterien. In den vergleichsweise milden Monaten November, Dezember und Januar hätten schwache Energiespeicher noch funktioniert. Bei den jetzt herrschenden Extremtemperaturen kämen sie aber nicht mehr klar. Wenigfahrer mit Dieselfahrzeugen sollten beachten, dass ihre Tankfüllung womöglich noch aus der ersten Novemberhälfte stammen könnte und deswegen kein „Winterdiesel“ im Tank sei. Diese Kraftstoffmischung funktioniere bis Temperaturen von minus 20 Grad.

Stillstand II

Im Hafen kämpft die Stadt Stuttgart seit Montag gegen die immer dicker werdende Eisschicht in den Hafenbecken. „Das Schiff hat einen verstärkten Rumpf und kann bis zu 25 Zentimeter dickes Eis brechen“, erklärte Carsten Strähle, Geschäftsführer der städtischen Hafen GmbH. Am Montag musste das vielseitige Schiff, das auch um Feuerlöschen eingesetzt werden kann, allerdings nur einen vier bis acht Zentimeter dicken Eispanzer in den drei Hafenbecken aufbrechen. „Zur Vorbeugung ist unser Schiff jetzt täglich im Einsatz“, erklärt Strähle. Die klirrende Kälte hat den Schiffsverkehr auf dem Neckar aber noch nicht zum Erliegen gebracht. „Ein Binnenschiff, das am Sonntagabend eingelaufen ist, verlässt den Hafen am Dienstagabend wieder mit einer Ladung Schrott an Bord“, so Strähle. Das moderne Boot der Wasserschutzpolizei hingegen darf nicht mehr auslaufen. Der leichte Aluminiumrumpf ist nicht stark genug, um dicken Eisschollen zu widerstehen. Der Streifendienst auf dem Neckar sei nur „eingeschränkt“ möglich, so der Polizeisprecher Thomas Ulmer.

Feuer und Eis

Der Feuerwehr beschert die Kälte ein zusätzliches Problem: „Wenn wir ein Feuer bekämpfen und es fließt Löschwasser auf die Straße, rufen wir natürlich sofort beim Winterdienst an, damit dieser Bereich ordentlich gestreut wird“, sagt Sebastian Fischer, Sprecher der Feuerwehr. Noch habe es keine Einsätze für die Feuerwehr wegen der Kälte gegeben. Sie hat dem Sozialamt aber warme Decken aus dem Lager des Katastrophenschutzes zur Verfügung gestellt, damit Obdachlosen geholfen werden kann.

Kältebus

Seit Freitag ist auch in Stuttgart ein sogenannter Kältebus auf Tour, der sich um Obdachlose kümmert, die auch bei dem strengen Frost im Freien kampieren. Am Wochenende haben Sozialarbeiter von 20 Uhr bis 6 Uhr früh die einschlägigen Plätze besucht, vom Hauptbahnhof über den Ostendplatz bis zu den Lüftungsschächten an Kaufhäusern oder die Brücken und Schleusen am Neckar. In der ersten Nacht haben sie 50 Personen angetroffen, in der zweiten noch 21, in der dritten nur noch sechs. Bei allen handelte es sich um „bewusste Biwakierer“, sagt Sozialamtsleiter Walter Tattermusch, die nicht in eine Notunterkunft wollen und entsprechend ausgerüstet waren. Vorsichtshalber verteilten die städtischen Mitarbeiter aber doch noch Decken, Mützen und Handschuhe. „Auch Tee wurde dankbar angenommen“, so der Sozialamtsleiter. Drei alkoholisierte Obdachlose konnte man überreden, eine städtische Notschlafstelle aufzusuchen. „Wir haben jetzt eine gewisse Übersicht“, sagt Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer. Der Kältebus soll „bis auf Weiteres“ auf Tour gehen, solange die Temperaturen so niedrig sind. „Eine komplette Sicherheit könne es nicht geben“, sagte Fezer. Natürlich gebe es auch Obdachlose, die sich an Plätzen aufhielten, „wo sie nicht gefunden werden“. Die Sozialbürgermeisterin bittet die Bürger, „zu später Stunde zu schauen, wo Menschen sind, die Hilfe brauchen“. 

Gefahr

Das Betreten der Stuttgarter Seen ist nicht erlaubt. Der Max-Eyth-See gilt als das gefährlichste Gewässer, da es mit dem Neckar verbunden ist. Das macht sein Wasser wärmer und sein Eis dünner. Die Polizei hat ihn deshalb gesperrt. Auf dem Möhringer Riedsee und den Wildparkseen drehen jedoch Schlittschuhläufer ihre Runden.

Entsorgung

Auch Biotonnen bleiben stehen: Die städtische Müllabfuhr bittet um Geduld, weil der kompostierbare Abfall in den Behältern festgefroren sei, so Annette Hasselwander, Sprecherin der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS). Wer seine Tonne nach dem Abfuhrtermin vor dem Haus voll vorfinde, solle sich bis zum nächsten Abfuhrtermin gedulden. „Dann nehmen wir auch neben den Tonnen stehende Papiertüten mit“, verspricht Hasselwander.

Wartezeit

Außerdem müssen zahlreiche Pendler Geduld auf den Bahnsteigen aufbringen. Auch am Montagmorgen mussten viele in der Kälte länger als üblich auf ihre S-Bahn warten: Viele Züge hatten laut den Durchsagen in den Wagen im Berufsverkehr bis zu 20 Minuten Verspätung. In Zuffenhausen habe es gegen 7 Uhr Probleme wegen einer vereisten Weiche gegeben, erklärte ein Bahn-Sprecher.

Hartnäckig

Der Protest gegen S 21 macht keine Winterpause. Das demonstrierte ein 86-jähriger Projektgegner, der die Nacht zum Montag in einem der Bäume verbrachte , der von den Fällungen bedroht ist. Nach rund sieben Stunden wurde es dem Mann in dem Geäst der Platane zu kalt. Gegen 5 Uhr ließ er sich von der Feuerwehr mit der Drehleiter retten. Er soll eine leichte Unterkühlung erlitten haben. „Er hat sich am Feuer im Zeltdorf aufgewärmt“, meldete Matthias von Herrmann, der Sprecher der Parkschützer.