In einem zweiten Prozess müssen sich von Mittwoch an elf Männer und eine Frau aus der rechten Szene am Stuttgarter Landgericht verantworten.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Winterbach - Der „Fall Winterbach“, bei dem im April 2011 mehrere Mitglieder der rechten Szene in einem Garten auf dem Engelberg eine Hetzjagd und einen Brandanschlag auf eine Gruppe junger Migranten verübt hatten, wird ein zweites Mal juristisch aufgerollt. Erst Ende März waren am Landgericht in Stuttgart zwei Beteiligte, 21 und 22 Jahre alt, wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haftstrafen von je zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Nun müssen sich weitere zwölf Angeklagte dort wegen des Vorwurfs der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und Anstiftung dazu sowie wegen Falschaussagen vor Gericht verantworten. Offenbar räumen einige Angeklagte ihre Tatbeteiligung auch ein.

 

Elf Männer und eine Frau aus der rechten Szene im Alter von 17 bis 30 Jahren stehen von Mittwoch an vor Gericht. Sie stammen aus dem Großraum Stuttgart, aus Rottweil und aus dem Saarland. Acht von ihnen sitzen seit fast einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Sie alle sollen wie die beiden bereits Verurteilten an der Hetzjagd auf neun Migranten beteiligt gewesen sein, die bei der Attacke unter anderem Knochenbrüche, Rauchvergiftungen, einen Milzriss, Quetschungen, Prellungen und Gehirnerschütterungen erlitten.

„Gelogen, dass sich die Balken bogen“

„Gelogen, dass sich die Balken bogen“

Zwei Angeklagten wird vorgeworfen, die Gruppe zu dem Attacke angestiftet zu haben. Und vier Beschuldigte müssen sich wegen ihres Verhaltens als Zeugen im ersten Winterbach-Prozess und bei Ermittlungen der Polizei verantworten – wegen Falschaussagen. Darunter ist auch die einzige Frau, die wegen des Verdachts auf Strafvereitelung angeklagt wird. Die Schorndorferin soll bei der Polizei gelogen haben, so dass die Ermittler ein Strafverfahren gegen einen anderen Angeklagten zunächst eingestellt hatten.

Der Richter Joachim Holzhausen hatte beim Urteil im ersten Winterbach-Prozess von einem „extrem unbefriedigenden Verfahren“ gesprochen, da es nicht gelungen sei, den Kern des Geschehens aufzuklären. Bei den Zeugenaussagen sei „verschleiert, gemauert und gelogen worden, dass sich die Balken bogen“, so der Richter.

Bis heute ist daher offen, wer in der Nacht zum 10. April 2011 auf dem Gartengrundstück die Hütte angezündet hat, in der sich fünf Geschädigte wegen der Attacke der Mitglieder der rechten Szene verschanzt hatten. Die Polizei protokollierte damals verzweifelte Handy-Notrufe der Opfer aus der Laube. Der Täter bleibt aber weiter unbekannt.

Mehr als 30 Zeugen sollen aussagen

Mehr als 30 Zeugen sollen aussagen

Als Auslöser der Hetzjagd, die in dem Brandanschlag gipfelte, wird eine zufällige Begegnung auf einem Feldweg vermutet. In einem Garten hatte eine Gruppe junger Männer türkischer und italienischer Herkunft gegrillt. 100 Meter weiter feierten etwa 70 Mitglieder der rechten Szene einen Geburtstag. Mit dem Auto soll einer der Rechten später zweimal gefährlich nahe Mitglieder der anderen Gruppe passiert haben – bis einer der Fußgänger gegen den Wagen trat. Daraufhin habe ein Beifahrer die acht Angeklagten zu Hilfe gerufen, um sich zu rächen. Der Autofahrer selbst hat mittlerweile wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr einen Strafbefehl in vierstelliger Höhe akzeptiert.

Insgesamt 33 Zeugen sollen nun im zweiten Winterbachprozess gehört werden – viele von ihnen hatten schon im ersten ausgesagt, und dabei erklärt, dass sie nichts Genaues beobachtet hätten. 30 Verhandlungstage sind bis Mitte Januar 2013 angesetzt. Zum Prozessauftakt am Mittwoch, 29. August, hat die Initiative „Rems-Murr-Nazifrei“ für 8 Uhr eine Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude angekündigt.