Die Verlängerung des Vertrags von VW-Chef Martin Winterkorn ist ein Vertrauensbeweis – zugleich jedoch auch ein Zeichen für Versäumnisse bei der Personalentwicklung, meint StZ-Autoexperte Harry Pretzlaff.

Stuttgart - Es ist eine weitere Niederlage für Ferdinand Piëch: Das Präsidium des Aufsichtsrats von VW hat einstimmig beschlossen, den Vertrag von Vorstandschef Martin Winterkorn zu verlängern. Der gebürtige Leonberger soll den größten Autokonzern Europas bis Ende 2018 führen. Damit erteilt das Kontrollgremium dem ehemaligen VW-Patriarchen und Ex-Vorsitzenden des Aufsichtsrats erneut eine bittere Abfuhr. Im April hatte Piëch einen beispiellosen öffentlich ausgetragenen Machtkampf mit Winterkorn angezettelt und dem Vorstandsvorsitzenden brüsk das Vertrauen entzogen, weil er mit dessen Leistungen nicht mehr zufrieden war. Piëch hatte indes den Bogen mit dieser Attacke überspannt, fand keine Unterstützung und zog sich beleidigt von der Spitze des Aufsichtsrats zurück. Doch wer Piech kennt, weiß, dass der Enkel des VW-Konstrukteurs Ferdinand Porsche bisher niemals aufgab. Und wie in Unternehmenskreisen zu hören war, hat er auch in den vergangenen Monaten im Hintergrund versucht, weiter an Winterkorns Stuhl zu sägen.

 

Die Verlängerung des Vertrags von Winterkorn ist ein großes Zeichen des Vertrauens und auch eine Würdigung der Lebensleistung des schwäbischen Spitzenmanagers. Doch zugleich ist es auch ein Zeichen für Versäumnisse bei der Personalentwicklung. Das frühere Gespann aus Piëch und Winterkorn war in den vergangenen Jahren das klare Machtzentrum des Wolfsburger Konzerns. Die beiden haben es aber nicht geschafft, rechtzeitig einen Nachfolger für Winterkorn aufzubauen.

Wenn Winterkorn jetzt in eine weitere Runde geht, so ist dies eine Notlösung. Aus Sicht des Aufsichtsrats und wohl auch aus Sicht des PS-Clans der Porsches und Piechs, die als Anteilseigner über die Mehrheit der Stimmen verfügen, gibt es offenbar zumindest bisher keinen geeigneten Nachfolger. Winterkorn hat in seiner Zeit an der Spitze des Vorstands gewiss Großes geleistet, doch der Mann ist jetzt 68 Jahre alt und der Job ist mörderisch. Zudem steht gerade jetzt ein weitreichender Umbau der Führungsstruktur bevor, weil bisher viel zu viel zentral entschieden wurde. Zudem muss mit der Vernetzung und auf dem Weg zum autonomen Fahren ein weiterer technologischer Umbruch bewältigt werden. Porsche-Chef Matthias Müller, der sich hervorragend im VW-Konzern auskennt, eng mit Winterkorn zusammengearbeitet hat und als möglicher Nachfolger des Vorstandschefs gehandelt wurde, hatte mit sympathischer Ehrlichkeit im Januar gesagt, dass er zu alt für diese Herkulesaufgabe wäre, wenn er Ende 2016 die Nachfolge von Winterkorn antreten würde. Müller ist dann 63. Später ist Müller freilich zurückgerudert und hat gesagt, er fühle sich für nichts zu alt. Nun kann er sich weiter voll darauf konzentrieren, dass Porsche weiter profitabelster Autohersteller der Welt bleibt.

Bei allen Verdiensten hat sich in den vergangenen Jahren jedoch auch gezeigt, dass Winterkorn nicht mehr alles voll im Griff hatte. Die Kernmarke VW zeigt nicht nur in den USA deutliche Schwächezeichen. Deshalb hat vor kurzem der von BMW abgeworbene Manager Herbert Diess die Führung der Marke VW übernommen, um Winterkorn zu entlasten. Diess ist jedoch zu frisch bei VW, um jetzt schon entscheiden zu können, ob er Nachfolger von Winterkorn werden könnte. Dafür muss er auch mit der sehr speziellen Unternehmenskultur des Wolfsburger Konzerns zurechtkommen. Gleiches gilt für Andreas Renschler, der von Daimler abgeworben wurde, um eine schlagkräftige Lkw-Sparte bei VW aufzubauen.

Die Verlängerung des Vertrags von Winterkorn schafft zugleich eine weitere Baustelle. Denn nach dem abrupten Abgang von Ferdinand Piech als Aufsichtsratschef hat der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber die Führung des Kontrollgremiums übernommen. Dies war als Übergangslösung gedacht. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass der Gewerkschafter zwei weitere Jahre an der Spitze bleibt, bis Winterkorn dann Aufsichtsratsvorsitzender wird. Deshalb muss nun ein Kapitalvertreter gefunden werden, der diesen Job zwei Jahre lang macht – und dann bereitwillig Platz macht für Winterkorn.