Bei derzeit milden Temperaturen bleiben Wohnsitzlose nachts lieber im Freien. Zum Schutz vorm Erfrieren stehen in Stuttgart jedoch rund 100 Plätze in Winterquartieren zur Verfügung. Notfalls hat die Stadt noch eine Alternative.

Stuttgart - Die Schlafräume sind alles andere als luxuriös: Vier bis fünf Betten, Tisch, Stuhl, Spinde, mehr ist da nicht. Aber sie sind beheizt und schützen Wohnsitzlose vorm Erfrieren. Insgesamt 1079 Menschen ohne Wohnung haben im Zeitraum von 2. November 2015 bis 30. April 2016 die Winternotquartiere der Stadt genutzt. 11 948 Übernachtungen und 928 Nutzer verzeichnete das Sozialamt.

 

„Für uns gilt: Kein Mensch darf im Winter in Stuttgart erfrieren“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Dies hat sich die Stadt nach leidvollen Erfahrungen auf die Fahnen geschrieben. Deshalb sind in den Monaten November bis Mai inzwischen drei Wohnheime für Wohnungslose zum Übernachten geöffnet. Die Hälfte der Besucher bleibt allenfalls ein bis drei Tage, rund ein Viertel der Besucher bleibt vier bis 14 Tage lang in der Unterkunft, manche machen auf dem Absatz kehrt und ziehen dann doch eine Parkbank oder ein Biwak vor, andere kommen über Wochen Abend für Abend ins Notquartier. Wo die Wohnsitzlosen danach unterkommen, ist in 67,5 Prozent der Fälle unbekannt. Teils tauchten die Übernachtungsgäste einfach nicht mehr auf, heißt es im Abschlussbericht aus dem Winter 2015/16, der an diesem Montag dem Sozialausschuss vorgelegt wird.

Notquartiere gibt es an drei Standorten

Die Nachfrage ist erstmals im Winter 2012/13 deutlich angestiegen, und der Trend hat sich fortgesetzt. Im Winter 2013/14 suchten 797 Menschen ein Notquartier, im Winter 2014/15 waren es 928, zuletzt 1079. „Der vergangene Winter war mild, wir haben nicht alle Reserven ausreizen müssen“, sagt Harald Wohlmann, Leiter der Fachabteilung Offene Hilfen bei der Caritas. Der Verband ist mit der Evangelischen Gesellschaft für den Sozialdienst in den Häusern zuständig. „Wir haben die Ressourcen verstärkt und gehen davon aus, dass die Plätze in diesem Jahr reichen werden“, sagt der Sozialamtsleiter. Zumindest dann, wenn der Winter so mild verläuft wie der vergangene. „Wir haben Spielräume“, sagt Spatz, selbst dann, wenn es anhaltenden Frost geben sollte. „Die Stadt konnte mittlerweile Flüchtlingsprovisorien stilllegen. Wenn wir also mehr als 15 weitere Plätze brauchen sollten, können wir ein Asylheim als Notunterkunft nutzen.“

Damit hätte die Sozialverwaltung auf einen Schlag 40 bis 50 weitere Plätze zur Verfügung. Auf eine bestimmte Flüchtlingsunterkunft wollte sich Spatz nicht festlegen. „Das ist ein gutes Signal“, sagt Harald Wohlmann von der Caritas. Er ist sicher: „Draußen schlafen muss niemand.“

Freier Wohnungsmarkt bietet keine Alternativen

Auch Zuwanderern aus Europa, den neuen Bundesländern und Flüchtlingen mit Bleiberecht muss die Stadt notfalls eine Unterkunft zuweisen. Der freie Wohnungsmarkt bietet für diese Gruppen keine Lösung. Spatz: „Bei der Wohnungsnotfallhilfe mit knapp 4000 Wohnungssuchenden sind wir sehr an unseren Grenzen.“

So erklärt sich die Alters- und Herkunftsstatistik der Winternotquartiere: Ein Drittel der Besucher war 26 bis 35 Jahre alt, während der Hilfebedarf der über 45-Jährigen sank. 37,5 Prozent hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, 31 Prozent waren EU-Bürger, davon die meisten aus Rumänien. Die Zahl der Quartier suchenden Ungarn, Griechen und Slowaken stieg.