Was ist mit der Festplatte des Dienstcomputers von Stefan Mappus geschehen? Die Regierung berichtet von einer Herausgabe an den Ex-Premier, seine Anwälte von einer Zerstörung. Nun wird wohl doch noch versucht, Daten zu rekonstruieren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Frage traf Winfried Kretschmann sichtlich unvorbereitet. Ob das Staatsministerium alles unternommen habe, um die gelöschten Mails seines Vorgängers Stefan Mappus zu rekonstruieren? Die könnten nämlich nicht nur weiteren Aufschluss über den EnBW-Deal geben, sondern auch über die Rolle des Ex-Premiers beim „schwarzen Donnerstag“ im Schlossgarten. Da habe er „keine Ahnung“, gestand der Ministerpräsident. Ob man das überhaupt könne und auch dürfe, wisse er schlichtweg nicht.

 

Erst auf eine schriftliche StZ-Nachfrage hin hat sich Kretschmanns Staatsministerium inzwischen kundig gemacht – und Irritierendes zu Tage gefördert. Grundsätzlich, referierte ein Regierungssprecher die Auskunft der zuständigen Fachabteilung, seien die Mail-Accounts der Bediensteten „dem Persönlichkeitsbereich zugeordnet“. Diese alleine entschieden, welche Nachrichten sie ausdruckten und den Akten beifügten. „Auch die Löschung bleibt dem Nutzer vorbehalten.“ Wirklich gelöscht seien die Mails erst 30 Tage später, weil sie so lange vorsorglich verfügbar gehalten würden. Auch im Fall von Stefan Mappus seien die Daten erst nach dieser Frist dauerhaft getilgt worden, mithin habe „keine Sonderbehandlung“ stattgefunden.

Unmut über das Schweigen der Beamten

Der brisanteste Befund umfasste gerade mal einen Satz: „Auf Wunsch von MP a. D. Mappus wurde ihm die Festplatte seines Arbeitsplatz-PC zur Verfügung gestellt.“ Das sei nach der Niederlage der CDU bei der Landtagswahl, aber vor dem Einzug des Grünen Kretschmann in die Villa Reitzenstein geschehen, hieß es auf Nachfrage. Was Mappus damit gemacht habe, ob er sie mitgenommen, kopiert oder vernichtet habe, konnte der Regierungssprecher nicht sagen.

Die Information aus der Verwaltungsabteilung, die noch wie zu CDU-Zeiten von dem Ministerialdirigenten Michael Kleiner geführt wird, war freilich neu für die grüne Hausspitze. Dabei hatte diese bei der Aufarbeitung des EnBW-Deals händeringend nach Unterlagen des früheren Ministerpräsidenten gefahndet – und fast nichts mehr gefunden. Entsprechend verärgert ist man dem Vernehmen nach darüber, dass die Herausgabe der Festplatte erst mit mehr als einjähriger Verspätung intern mitgeteilt wurde. „Wir prüfen den Vorgang jetzt“, kündigte der Sprecher an.

Mappus-Anwälte bestätigen Vernichtung

Die ganze Wahrheit erfuhren die neuen Herren in der Staatskanzlei offenbar immer noch nicht. Was in der Antwort der Pressestelle fehlte, ergänzten auf StZ-Anfrage die Anwälte von Mappus. Die Festplatte sei „im Auftrag unseres Mandanten“ ausgebaut und vernichtet worden, und zwar „unter Beteiligung der EDV-Abteilung des Staatsministeriums sowie eines Mitarbeiters“. Sie habe sich „zu keinem Zeitpunkt“ im Besitz von Mappus befunden. Der Vorteil der Vernichtung gegenüber einer normalen Löschung, bei der die Daten nur durch neue überschrieben werden: die Dateien lassen sich, sofern sie nicht auch anderswo gespeichert sind, garantiert nicht wieder herstellen. Auf die Frage nach schutzwürdigen Inhalten nannten die Anwälte „vor allem zahlreiche CDU-Dateien, private Dateien unseres Mandanten sowie Dritter“.

Datenschützer zeigt sich verwundert

Für die Auskunft an die StZ benötigte das Staatsministerium auch deshalb längere Zeit, weil zuvor der Landesbeauftragte für Datenschutz, Jörg Klingbeil, konsultiert werden müsse. Dieser habe mitgeteilt, „dass er im vorliegenden Fall von einer relativ kurzen Speicherdauer ausgeht“, hieß es in der Stellungnahme etwas kryptisch. Ein Zugriff auf Daten in einem Postfach dürfe nur mit Zustimmung des Postfachinhabers oder aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen. Doch zum „vorliegenden Fall“ – also den Mails von Mappus – war Klingbeil überhaupt nicht befragt worden, wie er gegenüber der StZ erstaunt konstatierte. Er habe sich nur abstrakt dazu geäußert, wie mit den Mails ausgeschiedener Mitarbeiter umzugehen sei. Aus Sicht des Datenschutzes sei es da umso besser, je früher diese gelöscht würden.

Mit der Frage, ob sich Mails von Mappus rekonstruieren lassen, hatte sich das Staatsministerium bis vor Kurzem offenbar nicht ernsthaft beschäftigt; dies war auch in Grünen-Kreisen mit Verwunderung registriert worden. Völlig aussichtslos scheint das Vorhaben nicht zu sein. „Nicht auszuschließen ist, dass bei Einsatz von forensischer Software noch Daten zu finden sind“, hieß es nun in der Antwort an die StZ. Eine solche Suche sei indes nur der Staatsanwaltschaft erlaubt, die man bei Bedarf dabei gerne unterstütze.

Staatsanwälte wollen noch Daten retten

Bei den Durchsuchungen im Zuge der Untreue-Ermittlungen gegen Mappus wegen des EnBW-Deals hatten die Staatsanwälte die Regierungszentrale bisher ausgespart. Begründung: der Ex-Premier habe dort ja keinen Arbeitsplatz mehr. Nun zeigen sie sich doch daran interessiert, ob dort noch Daten wiederherzustellen wären. Man sei dazu mit dem Staatsministerium in Kontakt, sagte die Behördensprecherin: „Wir haben das auf dem Schirm.“

Die Suche könnte sich nicht nur in puncto EnBW-Deal lohnen. Auch zum Polizeieinsatz im Schlossgarten, verlautet aus Kreisen der alten Regierung, gebe es höchst aufschlussreiche Mappus-Mails – oder es habe sie gegeben.