Das Video von Kretschmanns Ausbruch ist ungeachtet seiner Entstehung erhellend, meint der StZ-Exklusivautor Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war sicher grenzwertig, wie das Video von Winfried Kretschmanns Wutausbruch beim Grünen-Parteitag entstanden ist. Ein Zwiegespräch unbemerkt aufzunehmen – das ist nicht die feine Art, egal, ob es ein rechter Blog oder jemand anderes macht. Andererseits erscheint es etwas naiv, dass der Ministerpräsident in Hör- und Sichtweite von TV-Teams derart vom Leder zog. Die rechtlichen Schritte, auf die er nun verzichten will, wären wohl nicht besonders aussichtsreich gewesen.

 

Unabhängig von diesen Umständen findet der Film deshalb so großes Interesse, weil er einmal die Inszenierung von Politik durchkreuzt. Mit der nach dem Parteitag zur Schau gestellten Einigkeit der Grünen, das wird deutlich, ist es nicht allzu weit her. In Wahrheit hadert der hoch pragmatische Stuttgarter Premier mit (Berliner) Parteifreunden, die für seinen Geschmack allzu dogmatisch agieren. Wie hilfreich ein festes Datum wie 2030 für den Umstieg zur E-Mobilität ist, darüber lässt sich streiten; die Diskussion hat die Autokonzerne immerhin wach gerüttelt. Kretschmann aber möchte keine allzu rigiden Vorgaben, auch um die hohe Zustimmung zu seiner Person nicht zu gefährden. Gleiches empfiehlt er seiner Partei mit Blick auf die Wahl, doch die hört nicht auf ihn. Bei den Bürgern mag ihm das Video sogar nützen. Seinen Stand bei den Grünen dürfte es eher erschweren.