Wie umgehen mit fremdenfeindlichen Tönen beim SWR? Interne Tipps, solche Fälle zu melden, empören nicht nur die AfD, sondern irritieren auch Mitarbeiter: Sie fühlen sich an Stasi-Methoden erinnert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein heikles Thema, zu dem sich der Stuttgarter Personalrat und die Integrationsbeauftragte des Südwestrundfunks (SWR) an die Belegschaft wandten. „Eigentlich sollte es diesen Intranet-Artikel gar nicht geben“, schrieben sie einleitend. Doch die in der Überschrift gestellte Frage – „Dein Kollege, ein Rassist?“ – könne leider auch den Sender betreffen. Also gaben die Verfasser ausführliche Tipps, wie mit Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatz oder im Internet umzugehen sei: „Nachfragen und zur Rede stellen“ bei leichteren Fällen, „Personalabteilung informieren“ bei schwereren, bei Aufrufen zur Gewalt zusätzlich die Polizei. Als Beweis seien Screenshots zu erstellen, die Meldung könne auch anonym erfolgen.

 

Hätte es den Artikel vom März 2016 nicht gegeben – dem SWR wäre manches erspart geblieben: erst eine kontroverse, teils hitzige interne Diskussion, nun auch noch öffentlicher Wirbel. Seit der Intranet-Eintrag Anfang Mai ungewollt in Medien des rechten Spektrums publik wurde, sieht sich der Sender mit Fragen und Vorwürfen konfrontiert. Vor allem die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin argwöhnisch beäugt, nutzte den Fall als Steilvorlage. „Stasi-Methoden beim SWR“ geißelte der Vizechef Emil Sänze und sprach von einem „Denunziantenpamphlet in bester DDR-Manier“. Die „Gesinnungsschnüffelei“ diene offenbar dazu, „kritische Kollegen auszuschalten“. Es sei ein „Skandal“, schimpfte Sänze, dass die SWR-Spitze dies zulasse.

Keine Anordnung der SWR-Spitze

Die Erwiderung des Senders folgte prompt: Man weise die AfD-Vorwürfe „entschieden zurück“. Bei dem „aus dem Zusammenhang gerissenen Text“ handele es sich „nicht um eine Anordnung der Geschäftsleitung“, sondern um einen internen „Meinungsbeitrag“, wurde klargestellt. Den Verfassern gehe es darum, Kolleginnen und Kollegen „vor Diskriminierung in jeglicher Form zu schützen“. Sie gäben Hilfestellung für Situationen, in denen „pauschalisierende, diskriminierende und hetzerische Äußerungen“ gemacht würden, die die Menschenwürde verletzten und nicht mehr unter die Meinungsfreiheit fielen. Dass der SWR letztere sehr hoch halte, zeige schon die „vielschichtige und kontroverse“ interne Debatte.

Tatsächlich stieß der Beitrag auch intern auf teilweise scharfe Kritik, wie das unserer Zeitung bekannte Kommentarforum belegt. Genau die gleichen Assoziationen wie jetzt die AfD äußerten darin bereits etliche SWR-Leute. Von Denunziation ist da die Rede, von Stasi-Methoden und von einem Aufruf zum „Bespitzeln“ im Büro. Eine „üble Saat“ werde da gelegt, rügen Kritiker, „frösteln“ ließen sie die Empfehlungen. Solle man Kollegen bald auch als Verkehrs- oder Steuersünder anschwärzen?

Wo beginnt die Fremdenfeindlichkeit?

Selbst die Fürsprecher der Initiative zeigten sich nicht durchweg begeistert. Notwendig und wichtig sei diese, hieß es, auch im SWR gebe es fraglos „fremdenfeindliche Sprücheklopfer“. Aber man hätte das gute Anliegen etwas geschickter angehen können. Insgesamt hielten sich Zustimmung und Widerspruch nach SWR-Einschätzung in etwa die Waage.

Schon an der Definition, was noch erlaubt oder schon fremdenfeindlich sei, schieden sich die Geister. „Hast Du auch Angst, Deine Frau abends noch U-Bahn fahren zu lassen?“ – mit solchen Fragen, warnten die Autoren, fange es nur „scheinbar harmlos“ an. Dann werde auf teils tatsächliche, „meist aber geschickt erfundene oder verzerrt dargestellte Einzeltaten“ verwiesen. Schließlich würden Fremde pauschal verdächtigt und als Straftäter hingestellt, gegen die man sich verteidigen müsse – bis hin zum verdeckten Aufruf zur Gewalt.

Warnung vor einer „Schweigespirale“

Fremdenfeindliche Propaganda belaste nicht nur den Betriebsfrieden und könne daher ein Kündigungsgrund sein, mahnten die Verfasser. Bei „Hetze im Netz“ könne auch der Ruf des Arbeitgebers geschädigt werden. Nötig sei ein „gewisses Maß an Courage“, um dem Einhalt zu gebieten: Je nach Qualität der Äußerung solle man den Kollegen, wie im Fußball, die Gelbe oder die Rote Karte zeigen. Etlichen SWR-Leuten bereitete das Unbehagen. Sei es schon fremdenfeindlich, fragte ein Kommentator, wenn ein Journalist nach einem Zusammenhang zwischen Kriminalität und Einwanderung recherchiere? Der fragwürdige Aufruf führe letztlich zu einer „Schweigespirale“, die radikale Kräfte stärke. Man müsse die Flüchtlingspolitik kritisieren dürfen, sekundierte ein Kollege aus dem Sender, das habe nichts mit Rassismus zu tun. Die Initiative verdiene ihrerseits die Rote Karte, befand ein weiterer SWR-Mitarbeiter.

In der Praxis wurde diese übrigens nie gezückt. Seit dem März 2016 habe es keinen Fall gegeben, sagt eine SWR-Sprecherin, in dem sich die Personalabteilung mit rassistischen oder fremdenfeindlichen Äußerungen hätte befassen müssen.