Ein Strukturbericht zeigt, dass die starke Wirtschaftskraft rund um Stuttgart kein Selbstläufer ist. Grüne Technologien und Umwelttechnik sind die Zukunftssparten.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die wirtschaftliche Lage in der Region Stuttgart hat in den vergangenen Jahren einige nicht ganz so schöne Entwicklungen erfahren. So wird der bisher große Abstand der Wirtschaftskraft der Region zu jener im gesamten Land immer geringer. Und immer mehr Arbeitsplätze in der Produktion werden an den Rand der Region oder gleich in andere Gebiete verlagert. Das sind zwei von vielen Ergebnissen des 270 Seiten starken Strukturberichts, den der Verband Region Stuttgart, die IHK, die IG Metall und die Handwerkskammer vorgelegt haben. Der Bericht erscheint alle zwei Jahre.

 

Die Automobilkrise in den 1990er Jahren, das Platzen der Internetblase nach 2000 und die Wirtschaftskrise 2008 hinterlassen bis heute Spuren in der Region: Die Zahl der Beschäftigten hat nie wieder den Stand von 1990 erreicht – in der Region gibt es 55 000 Arbeitsplätze weniger als damals. Das Besondere: im Land konnten die Einbrüche kompensiert werden, so dass heute die wirtschaftliche Spitzenstellung der Region Stuttgart zwar nicht verloren, aber deutlich weniger stark ausgeprägt ist. In der Region arbeiten 26 Prozent aller Erwerbstätigen des Landes und erwirtschaften heute nur noch 27 Prozent der Bruttowertschöpfung.

Regionale Unterschiede

Doch auch innerhalb der Region gibt es Unterschiede. Der Landkreis Ludwigsburg hat es geschafft, die Zahl der Arbeitsplätze seit 1990 um 4,2 Prozent zu steigern – in Stuttgart sank die Beschäftigtenzahl um 9,1 Prozent und im Landkreis Göppingen sogar um 13,1 Prozent. Die Schere zwischen starken und schwachen Branchen in der Region hat sich vergrößert. Fahrzeug- und Maschinenbau, die zusammen fast die Hälfte der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe stellen, bleiben die „regionalen Schlüsselindustrien“. Hingegen habe die Krise die schwächelnden Branchen Holzgewerbe, Textil, Bekleidung und Leder, Druck und Papier sowie die Elektroindustrie weiter geschwächt, sagte Walter Rogg, der Wirtschaftsförderer der Region.

Daneben betonen die Verfasser des Strukturberichts, das IMU Institut in Stuttgart und das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen, dass sich die Wirtschaft in der Region immer stärker wandelt. „Stuttgart ist längst eine Dienstleistungsregion“, sagte Raimund Krumm vom Tübinger Institut am Mittwoch bei der Vorstellung des Berichts im Wirtschaftsausschuss des Verbandes Region Stuttgart (VRS). 2010 seien 65 Prozent aller Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig gewesen. Umgekehrt verlor das produzierende Gewerbe laut Jürgen Dispan vom IMU Institut allein zwischen 2007 und 2010 mehr als 10 000 Arbeitsplätze. Vor allem beim Maschinenbau sei eine Stadtflucht zu beobachten, so Dispan, teils auch ganz weg aus der Region. Dennoch lässt der Bericht keinen Zweifel daran, dass die wirtschaftliche Stärke der Region Stuttgart weiterhin „auf der Innovationskraft und damit auf der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Industrie“ beruhe.

Umwelttechnik und grüne Technologien

Und da setzen die Gutachter auch bei ihren Empfehlungen an. So müsse der Maschinenbau noch stärker in der Umwelttechnik und bei grünen Technologien aktiv werden. Es gehe um erneuerbare Energien und Elektromobilität, aber auch um Energie- und Ressourceneffizienz.

Der CDU-Regionalrat und Ludwigsburger OB Werner Spec betonte in der Aussprache, dass sich die Region nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen könne: „Wir müssen uns rasant verändern, wenn wir unsere Spitzenposition halten wollen.“ Esslingens OB Jürgen Zieger, der für die SPD im Regionalparlament sitzt, sah weniger die Politik in der Pflicht als die Wirtschaft selbst: „Da brauchen wir wenig regulierend einzugreifen. Die Unternehmen wissen, was sie zu tun haben.“ Gabriele Reich-Gutjahr warnte davor zu glauben, man könne das produzierende Gewerbe in die Hochlohnregion Stuttgart zurücklocken. Michael Lataier (Grüne) kritisierte genau deshalb, dass sich die Wirtschaftsförderung der Region zu wenig darum gekümmert habe, die Umwelttechnik zu fördern, indem Netze und Kompetenzzentren aufgebaut wurden.