Ohne Verträge läuft im modernen Wirtschaftsleben nichts. Entscheidend ist die Ausgestaltung. Für Arbeiten auf dem Gebiet sind jetzt zwei Ökonomen ausgezeichnet worden.

Wirtschaft - Das Preiskomitee hat wieder umgeschwenkt. Wurden im vergangenen Jahr mit dem Wirtschaftsnobelpreis für den gebürtigen Schotten Angus Deaton Forschungen über so brisante Themen wie Armut und Wohlfahrt ausgezeichnet, so hat sich die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften diesmal für die Wirtschaftstheorie entschieden: Der in London geborene US-Amerikaner Oliver Hart und der Finne Bengt Holmström werden für ihre Forschungen über Verträge ausgezeichnet. Sie haben sich mit Fragen befasst, wie Verträge zwischen verschiedenen Partnern gestaltet werden und wie können sie so abgefasst werden können, dass Interessenkonflikte vermieden werden. Für Jörg Schiller, an der Uni Hohenheim Inhaber des Lehrstuhls für Versicherungswirtschaft und Sozialsysteme, ist das Votum des Komitees keine Überraschung. Auch Schillers Forschungsschwerpunkt ist die Vertragstheorie, und deshalb weiß er, dass die beiden schon mehrfach als Kandidaten gehandelt wurden.

 

Hart, der 1948 geboren wurde, und der ein Jahr jüngere Holmström haben getrennt voneinander zur Vertragstheorie geforscht und teilen sich das Preisgeld von umgerechnet 826 000 Euro. „Beide stehen für unterschiedliche Bereiche der Vertragstheorie“, sagt Schiller. „Hart geht es sehr stark um die Anreizwirkung von Verfügungs- oder Eigentumsrechten, Holmström hat sich vor allem mit dem Design von Vergütungssystemen auseinandergesetzt. Beide sind Theoretiker, die die Grundlagen dafür geschaffen haben, Verträge noch besser zu gestalten“, so Schiller.

Erinnerungen an den Streit von VW mit Prevent

Ganz Theoretiker, wich Holmström bei der Pressekonferenz anlässlich der Preisverleihung der Frage eines Journalisten nach der „richtigen“ Höhe von Bonuszahlungen aus: „Meine Theorien beziehen dazu keine Stellung“, sagte er. Holmström lehrt am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Hart arbeitet in Harvard.

Schiller lobt Hart als den Ökonomen, der eine „Revolution mit angestoßen“ und gefragt habe, warum Eigentum eine so große Rolle spielt. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannte unvollständigen Verträge, wie etwa Arbeitsverträge. „Welche Leistung wie genau zu erbringen ist, steht im Vertrag nicht drin“, sagt der 41-Jährige. „Diese Stelle füllt der Chef aus, indem er Anweisungen erteilt.“ Das Weisungsrecht liegt dabei bei demjenigen, der die Eigentumsrechte wahrnehmen kann.

Die Frage der Verfügungsrechte ist in den Wirtschaftswissenschaften schon früh im Zusammenhang mit der Autoindustrie und dem Trend in der Branche zum Outsourcing untersucht worden. Wer einen Teil der Produktion einem Partner überlässt, muss sicherstellen, dass er nicht die Kontrolle verliert. Deshalb vergeben die Hersteller die Fertigung zentraler Komponenten – Beispiel Motor – nicht nach draußen, sondern behalten selbst die Oberhoheit. Und sie sichern sich durch eine zweite Bezugsquelle ab. Was geschieht, wenn ein Konzern sich auf einen Zulieferer alleine verlässt, auf den er letztlich keinen Einfluss hat, war im Sommer beim Konflikt von Volkswagen mit dem Zulieferer Prevent zu beobachten.

„Also muss man die Anreize anders gestalten“

Obwohl sich Holmström mit so publikumsträchtigen Fragen wie Bonuszahlungen und Selbstbehalten in Versicherungsverträgen beschäftigt, sieht Schiller dessen größtes Verdienst auf einem anderen Gebiet: „Holmströms zentraler Beitrag betrifft aus meiner Sicht die Teamtheorie. Er hat erkannt, dass bei einer einfachen Ergebnisteilung in einem Team jedes Mitglied einen Anreiz hat, einen Teil der eigenen Leistung zurückzuhalten.“ Eine typische Anwendung für die Teamtheorie ist das Tauziehen. Verschiedene Untersuchungen haben vielfach ergeben, dass sich nicht jeder Teilnehmer so anstrengt, wie er eigentlich könnte, weil er das Erreichen des Gesamterfolgs dadurch nicht in Gefahr sieht; je größer das Team, desto größer die Neigung, selbst nicht das Letzte zu geben. Jörg Schiller: „Also muss man die Anreize anders gestalten. Zum Beispiel könnte geregelt werden, dass ein Teambonus nur dann gezahlt wird, wenn sich alle so angestrengt haben, dass das optimale Teamergebnis erzielt wurde. Ansonsten erhalten alle Mitglieder nichts.“

Auch wenn Holmström die Frage nach der angemessenen Bonushöhe nicht beantwortet, so hat er doch gewisse Leitlinien für die erfolgsabhängige Vergütung vorgegeben. In Branchen mit einem hohen Risiko ist danach ein höherer Bonus gerechtfertigt als in Branchen mit weniger Ausschlägen. Bei aktienorientierten Vergütungen hält er es für falsch, alleine auf den Aktienkurs des eigenen Unternehmens abzustellen; er empfiehlt die Orientierung am eigenen Aktienkurs in Relation zum Kurs anderer Unternehmen.

Bei den Anreizen zur Steigerung der Leistung spielen die Eigentumsrechte nach Ansicht der beiden Ökonomen keine zentrale Rolle. Ein Franchisenehmer wird zum Beispiel mit dem gleichen Einsatz versuchen, den Gewinn zu erhöhen, wie ein Eigentümer-Unternehmer.