In deutschen Städten entstehen jedes Jahr Hunderte von Film-Produktionen. Sie sind inzwischen ein Werbe- und Image-Faktor sowie ein nicht zu unterschätzender Teil der Wirtschaft. Doch die Filmerei stört auch.

Stuttgart - Vor einiger Zeit haben die deutschen Städte erkannt, dass Film- und Fernsehproduktionen ein Wirtschaftsfaktor und außerdem gut fürs Image sind. Seither entstehen in den Metropolen jedes Jahr Hunderte von Produktionen. Es gibt nur ein Problem, die zuständigen Ämter sind angesichts einer Flut von Anfragen für Drehgenehmigungen hoffnungslos überlastet. Viele Orte haben daher in den letzten Jahren zentrale Anlaufstellen eingerichtet, in denen die genehmigungsrechtlichen Verfahren koordiniert werden.

 

Eigene Anlaufstelle

Die Stadt Stuttgart zum Beispiel hat 2014 eigens eine Anlaufstelle mit zwei Mitarbeitern geschaffen, die sich fast ausschließlich um Drehgenehmigungen kümmern. Die Entscheidung sei goldrichtig gewesen, versichert Ralf Maier-Geißer, Leiter Veranstaltungen und Straßenrecht im Ordnungsamt. Mit „Huck“ (ARD) sowie „Dr. Klein“ und „Soko Stuttgart“ (beide ZDF) sind im letzten Jahr allein drei Serien in der Stadt entstanden, von diversen Fernsehfilmen und dem „Tatort“ ganz zu schweigen.

Deutschlands eindeutig beliebtester Film- und Fernsehschauplatz ist mit 4000 Drehtagen (2014) Berlin. Das bleibt selbst bei einer derart riesigen Stadtfläche nicht ohne Folgen für das öffentliche Leben, denn durch Absperrungen oder Parkraumbelegung ist in der Regel auch der Straßenverkehr betroffen; das ist der Hauptgrund, warum man für Dreharbeiten eine Genehmigung braucht. Bindeglied zwischen den Produktionsfirmen und den kommunalen Behörden sind die von den regionalen Filmfördereinrichtungen gegründeten Film Commissions. In München führen im Schnitt 25 bis 30 Kinofilme und circa einhundert TV-Produktionen zu 3000 Drehtagen pro Jahr.

Die bayerische Landeshauptstadt ist seit dem Sechziger-Jahre-Klassiker „Der Kommissar“ durchgängig Schauplatz populärer TV-Serien. Die Zahl der Drehgenehmigungen hat sich seit 2008 jedoch nahezu verdoppelt. Außerdem ist München die am dichtesten besiedelte deutsche Großstadt, weshalb Anja Metzger, Leiterin der Film Commission Bayern, Verständnis dafür hat, dass ihre Mitbürger manchmal genervt sind: „Der Münchener freut sich, wenn seine geliebte Stadt Schauplatz eines Films ist, aber er möchte nicht, dass vor seiner Haustür gedreht wird.“

Der Pariser Platz am Brandenburger Tor ist meist tabu

Der Berliner reagiert zwar laut Christiane Raab, Leiterin der dortigen Film Commission, etwas gelassener, aber: „Berlin ist hip, jeder will was in Berlin machen, nicht nur die Filmwirtschaft. Die Belastung ist enorm.“ Die Stadt ist auch bei internationalen Produktionen ein gefragter Standort; im Sommer ist hier unter anderem die fünfte Staffel der US-Serie „Homeland“ entstanden. Einige Bereiche sind allerdings auch für internationale Projekte tabu. Für den Pariser Platz am Brandenburger Tor werden so gut wie nie Drehgenehmigungen erteilt, weil es für das Wahrzeichen der Stadt zu viele Antragsteller auch aus Bereichen wie Musik und Sport gibt. Gleiches gilt für Reichstag und Regierungsviertel.

Unterschiedliche Regelungen

Wer nur mit der Handkamera unterwegs ist, um Passanten zu befragen oder Fassaden für eine Reportage abzulichten, braucht normalerweise keine Genehmigung. Die Regelungen sind jedoch von Ort zu Ort unterschiedlich; es gibt auch Städte, in denen man sich schon anmelden muss, sobald man bloß ein Stativ aufstellt. Meist sind diese Genehmigungen mit einer Vielzahl von Bedingungen verbunden, die sich aber im Wesentlichen mit den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung decken. Eine wichtige Rolle spielt das Thema Sicherheit. Ein Filmset, sagt Christian Dosch, Leiter der Film Commission Region Stuttgart, „ist schließlich kein Abenteuerspielplatz.“ Die Behörden analysierten allerdings nicht die Gefahren für das Drehteam, denn dafür seien Produktionsleiter und Berufsgenossenschaften zuständig. Die Ämter würden immer dann aktiv, „wenn von den Dreharbeiten gegebenenfalls Gefahren oder Beeinträchtigungen für das Umfeld ausgehen.“ Bei Verfolgungsjagden gibt es zusätzliche Auflagen.

In München ist der Viktualienmarkt als Drehort beliebt

Überall gibt es Orte, an denen besonders gern gedreht wird. Die Behörden stecken dann in einer Zwickmühle. Einerseits sind Dreharbeiten im öffentlichen Interesse, andererseits sollen die Nerven der Bürger nicht strapaziert werden. Deshalb sind die Ämter laut Raab ständig „auf der Suche nach dem goldenen Mittelweg. Wenn im wohlhabenden Berliner Ortsteil Zehlendorf eine Villa leer steht, kann man davon ausgehen, dass hier permanent gedreht werden soll. Nach der achten Genehmigung ist dann erst mal für einige Zeit Schluss.“ In Hamburg erfreut sich die Straße am Kaiserkai großer Beliebtheit. In Köln ist der Fußgängerbereich vor dem Dom ebenso für Dreharbeiten gesperrt wie der Bahnhofsvorplatz, der als Evakuierungsfläche dient.

Zwei der markantesten Schauplätze in München sind der Marienplatz und der Viktualienmarkt. Beide sind touristisch extrem stark frequentiert, deshalb ist das Drehen hier laut Metzger besonders schwierig. Aber nicht unmöglich, wie die Serie „München 7“ beweist, die seit vielen Jahren hauptsächlich am Viktualienmarkt entsteht: „Wenn wir einen gewissen Vorlauf haben“, versichert Metzger, „gibt es nichts, was wir in München und Bayern nicht hinbekommen würden.“ Für die Großproduktion „Die drei Musketiere“ durfte sogar in der Schatzkammer der Münchener Residenz sowie im Hofgarten gedreht werden, und für Oliver Stones Film „Snowden“ ist im Frühjahr fast der ganze Stadtteil Lehel abgesperrt worden.

Image-Gewinn

Die Frage, warum sich die Städte den Aufwand antun, stellt sich im Grunde nicht. Der Image-Gewinn liegt auf der Hand, auch wirtschaftlich sind Film- und Fernsehproduktionen interessant, allein durch Unterbringung, Verpflegung und andere Dienstleistungen. Außerdem werden die in der Stadt lebenden Filmschaffenden beschäftigt, was sich in Steuerzahlungen niederschlägt. In Hamburg hat die Film Commission gemeinsam mit Hamburg Tourismus voriges Jahr die Initiative „Hamburg Loves Film“ gegründet. Viele Besucher der Stadt klappern in der Hafencity die Motive von „Notruf Hafenkante“ ab. „Jeder Drehtag ist Werbung für eine Stadt“, sagt ein Produzent.